Chaosprinz Band 2
wir geben Bunny eine leckere Karotte.«
Die Zwillinge lassen sich schnell überzeugen und verlassen gemeinsam mit Elena und Bunny das Wohnzimmer.
Bettina sieht etwas blass aus. Hilflos und nervös sitzt sie auf der Couch und knetet ihre Finger. Immer wieder wandern ihre Blicke in Alex' Richtung. Pa steht ihr in seiner Verwirrung in nichts nach. Auch er weiß nicht so richtig, wohin mit seinen Augen.
Aus diesem Grund starrt er den immer noch jungfräulichen Käsekuchen an. Bei dem kann er sich wenigstens sicher sein, dass er ihn nicht irgendwann aufgebracht anfährt und zischt: Was glotzt du so?
Maria ist die Einzige, deren Blicke offen und fragend zwischen Vater, Mutter und Bruder hin und her wandern. Doch bekommt sie leider keine Antwort.
»Wir lassen euch dann mal alleine«, meint Ma überflüssigerweise. Sie lächelt mitfühlend in die Runde. »Sprecht euch aus!«
»Ma!«, presse ich tadelnd zwischen den Zähnen hervor. Ich zerre etwas an ihrem Arm und bugsiere sie schließlich aus dem Wohnzimmer und in die Küche. Mit einer Dose Kekse bewaffnet setzen wir uns an den Küchentisch. Dass ich ihr mein Zimmer zeigen wollte, ist vorübergehend vergessen.
»Erinnerst du dich noch an diesen einen Weihnachtsmarkt vor zwölf Jahren?«, fragt Ma plötzlich und vollkommen unvermittelt.
»Hä?« Ich schiebe mir einen Keks in den Mund.
»Na, der Weihnachtsmarkt, auf dem wir unsere selbstgehäkelten Taschen verkauft haben?«
Ich erinnere mich. »Ja.«
»Weißt du noch, wie verdammt kalt es in diesem Jahr war?«
»Ja.« Es war wirklich kalt. Eiskalt.
»Ich musste eben wieder daran denken. Die Atmosphäre in dem Wohnzimmer hat mich an den Schnee, den Frost, aber vor allem an die bittere Kälte von diesem Winter erinnert…« Ma schnaubt abfällig.
»Sei nicht so hart«, erwidere ich sofort. »Sie sind nicht gefühllos, sondern nur verunsichert…«
Ich will nicht, dass Ma schlecht von ihnen redet. Irgendwie sind und bleiben sie meine Familie.
»Ich lästere doch nicht«, verteidigt sich Ma. »Ich sage nur die Wahrheit…«
Ich möchte das Thema wechseln. Schon allein der Gedanke an das Gespräch, das in diesem Moment im Raum nebenan stattfindet, macht mich nervös. Da konzentriere ich mich lieber ganz auf Ma.
Ich habe sie sehr vermisst. Doch erst jetzt, da sie vor mir sitzt, wird mir das Ausmaß unserer Trennung wirklich klar. Achtzehn Jahre lang sind wir immer zusammen gewesen. Immer. Jeden Tag.
Es gibt kein Gesicht, das mir so vertraut ist, keine Stimme, die ich so gut kenne, keine Meinung, auf die ich mehr Wert lege, und dann… dann bin ich plötzlich allein gewesen.
Aber jetzt ist sie wieder da. Ich nehme alles, was mir eigentlich so vertraut ist, vollkommen neu wahr. Ihr langes, rotblondes Haar ist noch heller geworden. Es glänzt und fällt ihr in sanften Wellen um die Schultern. Auf Nase, Wangen und der Stirn verteilen sich viele hunderte von süßen, kleinen Sommersprossen und ihre grünen Augen funkeln fröhlich und erinnern mich wie immer an eine frische Frühlingswiese.
»Ich habe dich vermisst«, flüstere ich, als ein plötzlicher und sehr starker Schwall von Liebe mein Herz erfasst. Erst ist sie erstaunt, dann gerührt und schließlich springt sie auf und zieht mich in ihre Arme.
»Ich habe dich auch vermisst, mein süßes Tobileinchen«, haucht sie an meinem Ohr und küsst dann meine Wange. Ich drücke sie fest an mich, halte sie und streiche ihr immer wieder über den Rücken.
»Ich habe es einfach nicht mehr ohne dich ausgehalten«, schnieft Ma.
»Hey, nicht weinen«, beruhige ich sie.
»Nach unserem Telefonat am Freitag bin ich sofort mit einem Jeep in die nächste Stadt gefahren. Die Fliegerei war kompliziert, ich musste einige Male umsteigen, aber ich hatte Glück und bekam immer sofort einen Anschlussflug.«
Ich löse mich sanft von ihr. »Aber warum hast du dir überhaupt diesen extremen Stress gemacht?«
»Na, ich wollte zu dir. Ich wollte dir helfen – du warst doch in Schwierigkeiten!«
»Nein, Ma.« Ich schüttle ganz entschieden den Kopf. »Ich bin nicht in irgendwelchen Schwierigkeiten. Im Gegenteil, mir geht es gut.«
»Aber deine Trennung von Kim… und die Sache mit diesem Alex…« Sie zieht misstrauisch beide Augenbrauen nach oben.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich keine Probleme habe«, gebe ich leise zu. »Aber bin ich felsenfest davon überzeugt, dass sich alles bald regeln wird.«
»Bald?« Ma schnaubt. »Bei dieser Familie bin ich mir da nicht so ganz
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