Chaosprinz Band 2
würde ich mich mit Alex verziehen. Doch Alex darf noch nicht fort. Jasmin beansprucht ihn. Sie erzählt Bettina gerade lautstark, wie unglaublich talentiert und kreativ Alex sei.
»Und nun weiß ich auch, woher er das hat«, meint sie und macht eine wichtige Miene.
Natürlich verstehen alle ihre Anspielung sofort. Doch keiner von uns, weder Bettina, noch Alex oder Pa, möchten gerade über Markus und seine vorteilhaften Gene diskutieren. Pa stopft sich noch eine Handvoll Salzstangen in den Mund und Bettina versucht krampfhaft, das Thema zu wechseln. Sie erzählt irgendetwas von Zimmerpflanzen und wann sie wo am besten gedeihen. Doch Jasmin scheint noch ein paar Kommentare bezüglich Markus auf dem Kasten zu haben, die sie wohl unbedingt loswerden will.
»Ich muss gestehen, ich bin sehr neugierig«, zwitschert sie und zwinkert Bettina grinsend zu. »Erst einmal natürlich als Frau…« Wieder ein Zwinkern. »Aber auch als Kunstlehrerin.« Sie dreht sich in Alex' Richtung. »Schade, dass du schon einen anderen Kandidaten für unser Schulprojekt ausgewählt hast. Es wäre bestimmt spannend geworden, wenn du uns eines der Bilder deines Vaters gezeigt hättest.«
Alex nickt nur. Seine Miene ist wie versteinert. Die Stimmung in dem gemütlichen Wohnzimmer ist auf einmal so kalt, dass ich fröstle.
»Wie ist denn Tobi so im Kunstunterricht?«, fragt Ma mit freundlicher Stimme in die unangenehme Stille.
»Tobi?« Jasmin wiederholt meinen Namen, als wüsste sie nicht genau, von wem gerade gesprochen wird.
Tobias Ullmann, der Junge, der dich dabei erwischt hat, wie du mit seinem Vater herumgeknutscht hast, du dämliche Schlampe.
Sie sieht mich an. »Er ist sehr eigensinnig…« Sie schenkt mir ein falsches Lächeln. Ich erwidere es nicht.
»Ja, das ist er«, sagt Ma unheimlich stolz. Man könnte meinen, Jasmin hätte mich gerade mit den Adjektiven: schön, überaus intelligent und sehr weise bezeichnet. »Ich habe ihm beigebracht, dass Individualität der Anfang und der Baustein der menschlichen Freiheit ist.« Sie strahlt mich an. Ich lächle.
»Und wo zeigt sich das besser als in der Kunst?« Ma erwartet keine Antwort auf ihre rhetorische Frage. »In der Kunst ist kein Platz für Realität und Vernunft.« Sie fuchtelt begeistert in der Luft herum. »Die Kunst ist ein Ventil für unseren Geist und unsere Fantasie. Habe ich recht?«
Alle nicken mehr oder weniger begeistert.
»Gestern waren Bettina und ich ja auf dieser beeindruckenden Ausstellung«, plappert sie weiter. »Und da haben wir einen zwei Meter langen Penis gesehen. Das war toll!«
Matthias prustet in seinen Wein. Pa verdreht die Augen. Bettina wird sehr rot und ich schnaube leise.
»Ma…«, zische ich.
»Was denn?« Sie sieht mich verwirrt an. »Du bist doch nur sauer, weil du nicht mitkommen durftest…«
Nun bekomme ich rote Wangen.
»Ihr seid zusammen ausgegangen?«, fragt Jasmin ganz unvermittelt.
»Ja«, antwortet Bettina schnell. »Wir haben beim Einkaufen ein Plakat gesehen und uns dann ganz spontan dazu entschlossen.«
Jasmin zieht beide Augenbrauen nach oben und nickt langsam. Pa stöhnt einmal leise und steht dann auf. Fast gänzlich unbemerkt verlässt er das Wohnzimmer. Warum auch ich plötzlich den Raum verlasse, weiß ich nicht. Noch weniger ist mir klar, aus welchem Grund ich ihm in die Küche folge. Was will ich hier? Allein mit ihm? Und warum, in Gottes Namen, tut er mir wieder so leid?
»Hey«, murmle ich leise. Ein schlechter Anfang für ein Gespräch, aber mir fällt erstens kein besserer ein und zweitens bin ich mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt mit ihm reden möchte.
»Hallo«, meint er. Meine Anwesenheit scheint ihn zu überraschen. Er sitzt am Küchentisch und schält einen Apfel. Ich weiß nicht, wohin mit mir, und so stehe ich einfach eine Weile im Raum herum und starre die bunten Magnetfiguren auf der Kühlschranktür an.
»Was willst du?«, fragt Pa mit rauer Stimme.
»Nichts.« Meine Stimme klingt sofort wieder nach Verteidigung.
»Willst du nicht wieder ins Wohnzimmer?«
»Warum?«
»Na, deine Mutter hat doch bestimmt noch ein paar lustige Geschichten auf Lager und bei dieser Gelegenheit kann sie ja auch gleich mal wieder erwähnen, wie schwer es war, ein kleines Kind alleine groß zu ziehen, und wie toll es ihr gelungen ist.«
Ich fühle mich verletzt, dabei bin ich mir gar nicht so richtig sicher, ob er mich angreifen wollte.
»Ich an deiner Stelle würde mich lieber auf ein paar andere Leute
Weitere Kostenlose Bücher