Chaosprinz Band 2
Tobi.«
Dieser kleine Trost macht mich sehr glücklich. Schön, dass jemand mal an den armen Tobi denkt.
»Aber ganz unschuldig bist du nicht, das weißt du schon«, meint Lena ernst.
Puff , die schöne Seifenblasen-Mitleidstour zerplatzt!
»Ich weiß«, grummle ich leise. »Die Sache ist kompliziert und…«
Alex' blonder Haarschopf erscheint im Türrahmen. Er spricht mit jemandem, der hinter ihm steht. Er lächelt, nickt und sagt noch etwas, hebt dann die Hand zum Abschied.
Mein Herz rast. Plötzlich ist mir nicht mehr kalt. Überhaupt nicht mehr. Nein, ich hätte sogar nichts dagegen, wenn jemand mal eben ein Fenster öffnen würde…
Nervös rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her. Ich kann meinen Blick nicht von ihm nehmen. Er fesselt mich an sich. Aufgeregt beobachte ich jede seiner Bewegungen. Er streicht sich mit der Hand ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihm sofort wieder zurück in die Stirn fallen. Seine grauen Augen richten sich auf Tom, der neben ihm steht. Seine weichen, rosigen Lippen formen ein paar kurze Wörter…
Herrje, das kann doch nicht normal sein, oder? Ich meine, da sehe ich ihn einen einzigen Tag mal nicht und schon habe ich Entzugserscheinungen.
Zusammen mit Tom geht Alex zu seinem Platz. Die beiden grüßen hier und da einige unserer Klassenkameraden und lächeln locker in die Runde. Scheinbar haben sie sich wieder vertragen. Wahre Freundschaft braucht eben keine großen Versöhnungsszenarien. Wenn man spürt, dass es dem anderen wirklich nicht gut geht und er Hilfe braucht, dann ist jeder Streit auf einmal vollkommen belanglos. Ich bin davon überzeugt, dass beide wahnsinnig froh sind, einander wieder zu haben.
Alex lässt seine Tasche auf den Boden neben seinem Stuhl fallen. Er ist mir nun sehr nah…
»Morgen…«, hauche ich nervös.
Er antwortet nicht. Tut so, als hätte er mich nicht gehört. Muss ich eben lauter sprechen.
»Guten Morgen!« Einige Leute um uns herum heben verwundert die Köpfe und sehen uns neugierig an. Alex dreht sich gezwungenermaßen zu mir um und sieht mich wütend an.
»Musst du so schreien?«, zischt er leise.
»Ich dachte, du hättest mich nicht gehört«, lüge ich und schenke ihm einen treudoofen Blick. Er schnaubt nur, lässt sich auf seinen Stuhl fallen und starrt nach vorne an die Tafel. »Wie geht es dir?«, frage ich vorsichtig.
»Fantastisch!«, antwortet er kalt.
Es gibt so vieles, was ich ihm gerne sagen möchte. Doch natürlich darf ich keins dieser Dinge hier und jetzt aussprechen. Dies ist nicht der richtige Ort für unsere Probleme. Ich weiß das, Alex weiß das, nur die Probleme, die scheinen davon keine Ahnung zu haben. Oder warum sind sie uns sonst hierher gefolgt? Und warum hängen sie an uns wie hartnäckige, bösartige Kletten?
Alex reagiert nicht auf meine Blicke. Oder auf das Papierkügelchen, das ich ihm an den Kopf werfe.
»Lass ihn«, flüstert mir Lena ins Ohr. »Er steht im Moment sowieso unter allgemeiner Beobachtung, da musst du es nicht noch schlimmer machen…«
Ich sehe sie verwirrt an. »Was? Wieso? Wissen die anderen von der Trennung unserer Eltern?«
Sie nickt. »Ja, auch… So was spricht sich rasend schnell herum. Du weißt doch, die Buschtrommeln ruhen nie. Aber das meinte ich gar nicht… Alex hat mit Anja Schluss gemacht«, wispert Lena mit ernster Miene.
Mir bleibt der Mund offen stehen. Das ist nicht wahr? Jetzt trennt er sich von ihr? Jetzt? Nachdem ich ihn wochenlang darum gebeten habe? Ich weiß nicht, was ich fühlen soll: Wut, Entrüstung oder doch Freude?
»Warum? Wann? Wie?«, frage ich atemlos.
»Gestern. Er meinte, in seinem Leben sei gerade so viel los, da könnte er keine Beziehung führen…«
Geniale Ausrede. Die Trennung der Eltern vorzuschieben, ist wirklich ein taktisch sinnvoller Zug. Der Zynismus in mir amüsiert sich königlich.
»Woher weißt du das alles?«, will ich immer noch verwirrt wissen.
»Von Tom. Aber wie gesagt, solche Neuigkeiten brauchen nie lange, bis sie sich verbreitet haben…«
Ich nicke abwesend und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Tatsächlich, irgendetwas ist anders als sonst. Die Stimmung ist angespannt. Neugierige Blicke wandern vom einen zum anderen.
Alex sitzt immer noch aufrecht und ruhig auf seinem Platz. Seine Miene ist so kühl und selbstsicher wie immer. Hin und wieder wird er von Tom angestupst, der ihm dann etwas ins Ohr flüstert. Aber sonst regt er sich kaum.
Auch Anja ist da. Ich habe sie bis zu diesem
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