Chaosprinz Band 2
mich und sieht mich kurz an.
»Ja.«
»Was willst du frühstücken?«, fragt Pa nach einer Weile.
»Weiß nicht. Was willst du?«
»Ist mir egal.«
»Mir auch.«
»Wann wirst du heute nach Hause kommen?«
»Ähm…« Ich sehe Pa an. »Ich muss heute Nachmittag arbeiten und vielleicht treffe ich mich danach noch mit ein paar Freunden…«
»Hm…«
Wir erreichen den Daimler. Auf dem Weg zur Schule hält er kurz bei einem Bäcker. Pa kauft mir einen riesengroßen Blaubeermuffin. Und dazu bekomme ich einen Becher mit heißem, duftendem Kaffee.
»Danke für den Muffin«, sage ich, als ich mich beeile, aus dem Auto zu steigen.
»Kein Problem.«
»Gut, dann bis heute Abend.«
»Viel Spaß in der Schule.«
Verunsichert nicke ich kurz und schließe dann die Beifahrertür. Er startet den Motor und lässt den Wagen vom Schulparkplatz rollen.
Ich atme erleichtert aus. Wenn nicht der freundliche und immer gut gelaunte Kerl im Radio ständig geplappert und erzählt hätte, wäre ich in den letzten zehn Minuten wahrscheinlich an akutem Schweigen gestorben. Wenn das so weiter geht… Frustriert trabe ich über den Schulhof und hänge meinen trüben Gedanken nach.
Ich bin früh dran. Es sind noch nicht viele Schüler da. Die ersten Busse sind gerade angekommen. Vereinzelt stehen ein paar kleinere Grüppchen beieinander. Keiner hat Lust, herumzuschreien oder durch die Gänge zu rennen, dazu ist es einfach noch zu früh am Morgen. Außerdem ist es wahnsinnig kalt.
Ich frage mich, warum man in Schulen grundsätzlich nicht heizt. Denken die sich: Sind ja nur Kinder. Die werden schon nicht an ein paar Frostbeulen sterben ? Oder aber man möchte vermeiden, dass sich die Schüler in dem Schulgebäude zu wohl fühlen.
Bibbernd schleiche ich die langen Gänge entlang. Mein Kaffeebecher wärmt meine kalten Finger. Ich wechsle alle paar Minuten die Hände, damit sich die Frostbeulen gleichmäßig verteilen können.
Ich bin tatsächlich der erste, der das Klassenzimmer betritt. Seufzend lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen. Meine Jacke lasse ich an. Viel zu kalt. Langsam trinke ich den Kaffee und genieße das Gefühl des heißen Getränks, das mir die Kehle hinunterrinnt und mich von innen wärmt.
An der Tafel stehen die hieroglyphenartigen Überreste der letzten Unterrichtsstunden. Die Lösung einer Matheaufgabe wurde halb weggewischt und neben einigen französischen Vokabeln steht ANTHROPOLOGIE . Ich pule an meinem Muffin herum, zupfe ein paar Krümel ab und stecke sie mir in den Mund.
Melli und Sylvia betreten das Klassenzimmer. Als sie mich sehen, bleiben sie kurz erschrocken stehen, reißen sich aber schnell wieder zusammen und stolzieren mit erhobenen Häuptern zu ihren Plätzen.
»Morgen«, sage ich.
»Morgen«, zischt Sylvia. Melli sagt nichts.
Ich frage mich, was ich so wahnsinnig Schreckliches getan habe. Ist es einzig und allein meine pure Anwesenheit, die die beiden Damen so erzürnt? Oder gefällt ihnen nicht die Art und Weise, wie ich Morgen sage?
Genervt kaue ich auf meinem Muffin herum, während die beiden Weiber anfangen, über die letzte Mathearbeit zu diskutieren. Sie schließen mich aus ihrem Gespräch aus. Nicht, dass mich das in irgendeiner Weise gestört hätte. Nein, wirklich nicht. Ich will nicht mit ihnen über die neuesten Diättipps, die Trendfarbe des Herbstes oder die neue Frisur von Victoria Beckham sprechen und über Mathe schon dreimal nicht.
Langsam füllt sich das Klassenzimmer. Nach und nach trudeln meine Mitschüler ein. Mal alleine, mal zu zweit oder in Grüppchen. Jedes Mal, wenn wieder jemand durch die Tür schreitet, macht mein Herz einen heftigen Sprung und mein Puls fängt schlagartig an zu rasen.
Jedes Mal vermute ich Alex… Aber er kommt nicht. Noch nicht. Ich werde unruhig.
»Hey, Tobi.« Lena begrüßt mich lächelnd.
»Hallo, du.« Wir nehmen uns in den Arm. Sie ist ganz kühl und ihre Nase ist leicht gerötet.
»Arschkalt draußen«, stellt sie fest und schüttelt sich.
»Stimmt…« Ich nicke und sehe dann wieder zur Klassenzimmertür.
»Er kommt noch«, meint sie leise.
»Was?«
»Alex. Ich habe ihn eben auf dem Parkplatz gesehen. Zusammen mit Maria und Tom.« Sie sieht mich ernst an. »Ich habe gehört, was passiert ist…«
Betreten senke ich den Kopf und starre die Tischplatte an.
»Wie geht es dir jetzt?«, fragt sie sanft.
»Naja… also…« Ich seufze schwer. »Keine Ahnung.«
Sie streichelt mir mitfühlend über den Unterarm. »Armer
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