Chaosprinz Band 2
den Beipackzettel des widerlich bitteren Hustensafts.
»Na, ich weiß nicht«, nuschle ich. »Ikea ist ein richtiger, kleiner Scheißer. Da ist täglich Großreinemachen angesagt.«
Marc grinst und schüttelt den Kopf. Ich knurre unfreundlich und lasse mich in die weichen Kissen sinken.
»Andere Leute gehen ins Museum oder spielen Tennis, wenn sie mal frei haben. Oder sie lassen sich tätowieren oder machen den Pilotenschein. Wieso lässt du dich nicht tätowieren, Marc? Ein Arschgeweih würde dir ganz wunderbar stehen.«
Marc schnaubt leicht amüsiert und schüttelt die Hustensaftflasche mit einer Hand. In der anderen hält er einen Esslöffel. »Machst du mir einen Vorwurf, weil ich loyal bin und mich um meine Freunde kümmere?« Eine böse Vorahnung kommt in mir auf, als Marc dicke Tropfen des bernsteinfarbenen Saftes auf den Löffel tropfen lässt.
»Gegen einen Freund hätte ich ja gar nichts, es ist der Pseudoarzt, der mich stört – nicht so viel! Drei reichen! – Und gegen den Bodyguard habe ich auch etwas.«
»Wieso Bodyguard? – Und es müssen zwanzig Tropfen sein, das weißt du genau – Ich bin hier, weil dein Vater mich darum gebeten hat und ich dachte, du freust dich, wenn du etwas Gesellschaft hast – und jetzt Mund auf!«
Weil ich weiß, dass es überhaupt nichts bringt, mich zu weigern, öffne ich widerwillig den Mund und lasse es zu, dass mir Marc den Löffel zwischen die Lippen schiebt. Ich starre ihn böse an. Die Medizin ist bitter und brennt auf der Zunge.
»Runterschlucken!«, befiehlt Marc streng.
» Mund auf! Runterschlucken! – Wenn du in diesem Ton auch mit deinen Liebhabern sprichst, wundert mich nichts mehr«, murmle ich und schüttle mich, um den ekligen Geschmack zu verdrängen.
Marc droht mir mit dem Esslöffel. »Nur weil du krank bist, hast du noch lange nicht das Recht, frech zu werden.«
Ich bin nicht frech, ich bin frustriert. Die letzten drei Tage waren mehr als nur seltsam.
Die Zwillinge bewiesen wieder einmal ihren feinen Sinn für das richtige Timing. Alex war gerade aus der Wohnung gestürmt, als die Kinder auch schon verschlafen und hungrig in der Küche standen und nach ihrem Frühstück verlangten. Pa briet Spiegeleier und machte den Kindern heißen Kakao und Toast, während ich eilig die Spuren der letzten Nacht verschwinden ließ und mich dann im Bad verkroch.
Ich war nicht in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Auch eine ausgiebige Dusche konnte das Chaos in meinem Kopf nicht wegspülen. Frustriert und ängstlich schlich ich zurück in die Küche.
Wir verbrachten den Vormittag, wie vereinbart, mit einem großen Spaziergang durch den Englischen Garten. Die Zwillinge hatten ihre Cityroller dabei, auf denen sie zwischen den vielen Fußgängern hindurch rauschen konnten.
Pa und ich liefen hinterher. Meist schwiegen wir. Ich traute mich nicht, ihm in die Augen zu sehen. Er traute sich nicht, mir in die Augen zu sehen.
Wir setzten uns auf eine Bank und sahen Timmy und Emma zu, die mit anderen Kindern auf einem großen Spielplatz herumtollten. Wie gerne hätte ich mit ihnen getauscht. Schaukeln, Rutschen und Klettern macht viel mehr Spaß, als sich mit seinem Vater über das eigene komplizierte Sexualleben zu unterhalten.
»Ich finde das nicht gut«, sagte Pa schließlich und es klang, als hätte er die letzten fünf Stunden nach eben diesen Worten gesucht.
»Was?«, fragte ich unsicher.
»Dass du und Alex… diese Sache.« Er räusperte sich.
»Wir sind zusammen.«
Wieder ein Räuspern. »Aber… ich finde das nicht gut.«
Wieder schwiegen wir eine Weile. Die Situation war unangenehm. Ich schämte mich, ohne überhaupt zu wissen wofür.
»Wie lange geht das schon?«, fragte er. Seiner Stimme nach zu urteilen, wusste er selbst gar nicht so richtig, ob er die Antwort wissen wollte.
»Schon eine Weile«, flüsterte ich.
»Ich finde das nicht gut.« Zum Dritten.
Timmy und Emma saßen auf einem dicken, dunklen Baumstamm, den man zu einer Wippe umfunktioniert hatte. Sie winkten uns aufgeregt. Ich senkte hastig den Blick und spielte mit dem Faden, der sich aus meinem Handschuh gelöst hatte.
»Wir mögen uns wirklich«, nuschelte ich leise.
»Tobi!« Er hob die Hand, ein Zeichen, dass ich gar nicht weiter zu reden brauchte.
»Aber es stimmt«, murmelte ich. »Und wir sind ja keine richtigen Brüder – wir sind überhaupt nicht verwandt. Wir haben erst ein paar Monate zusammen in einer Familie gelebt und…«
»Darum geht es doch
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