Chaosprinz Band 2
auch gar nicht«, unterbrach er mich harsch. »Also, das heißt… Ein bisschen geht es natürlich schon darum. Ich sehe euch beide als meine Söhne an und Bettina geht es genauso. Für uns ist das mehr als nur komisch. Die ganzen Verwandten, Bekannten und Nachbarn werden reden.«
»Was?«, rief ich gespielt schockiert. »Die Nachbarn werden reden? Das kann ich nicht zulassen! Wie schrecklich! Nein, du hast recht, lieber bin ich für den Rest meines Lebens unglücklich, als dass die Nachbarn sich an diesem schockierenden Skandal stören könnten.«
»Tobi, so habe ich das nicht –«
»Als du mit Jasmin durch die Hotelzimmer gezogen bist, hast du auch nicht die Nachbarn um ihre Meinung gebeten, oder?«, zischte ich böse.
Pa sah mich warnend an. »Es reicht!«
Ich biss mir heftig auf die Unterlippe. Wütend senkte ich den Blick.
»Du hast mich wieder mit voller Absicht falsch verstanden«, murmelte Pa. Irrte ich mich oder klang ein Hauch von Enttäuschung und Trauer in seiner Stimme mit?
»Alex ist so… Du hast ihn ja gestern erlebt. Ich liebe ihn, er ist ein toller Junge. Ein wunderbarer Sohn. Klug und verantwortungsbewusst, charismatisch und selbstbewusst, aber… Im Moment geht es ihm sehr schlecht. Und mir ist klar, dass wir… dass ich nicht ganz unschuldig daran bin. Wir – seine Eltern – haben versagt.« Betroffen ließ Pa den Kopf sinken. So selbstreflektierend und ehrlich hatte ich ihn nur sehr selten erlebt. Mitleid mischte sich mit dem Gefühl der Zuneigung.
»Ihr seid eben auch nur Menschen«, murmelte ich aufmunternd.
»Genau. Und das muss Alex in eben diesen Tagen begreifen.«
»Ich helfe ihm dabei«, sagte ich.
»Nein, das kannst du nicht. Er hat genug damit zu tun, mit sich selbst zu kämpfen. Und du wirst dabei nur verletzt.«
Verwirrt und erschrocken starrte ich ihn an. Pas Blick war ernst. Er beobachtete die Kinder, die wild über den Spielplatz rannten und einander zu fangen versuchten.
»Wir schaffen das schon«, hauchte ich.
»Das glaube ich nicht«, sagte er entschieden. »Alex ist momentan nicht in der Lage, eine Beziehung mit irgendjemandem zu führen. Er weiß doch nicht einmal, wie er es mit sich selbst aushalten soll. Glaube mir, ich bereue viel – am meisten, dass meine Kinder so sehr leiden müssen – und ich weiß, ich kann es nicht mehr gut machen, aber noch einmal begehe ich nicht dieselben Fehler. Dieses Mal bin ich aufmerksamer und schreite früher ein. Und darum verbiete ich dir, dich mit Alex zu treffen.«
Ein vollkommen sinnloses Verbot, das ich absolut und von vorne bis hinten ignorieren werde.
Und Pa weiß das auch. Dieses Verbot ist im Grunde nur heiße Luft. Doch scheinbar hat er sich vorgenommen, wenigstens so zu tun, als wollte er seinen Willen durchsetzen.
Als ich am Nachmittag total verwirrt, aufgewühlt und müde nach Hause kam, fing mein Hals an zu kratzen. Meine Glieder wurden immer schwerer und schmerzten leicht und ich verspürte einen festen Druck auf den Bronchien, den ich erst mit Liebeskummer verwechselte.
Am Abend kam der Schnupfen dazu und ich zitterte am ganzen Leib. Ich hatte mich erkältet. Pa schickte mich sofort ins Bett und erklärte, ich sollte die Woche lieber zu Hause verbringen, um mich vollständig zu erholen.
Als ich so auf meinem geliebten Noresund lag und nicht mehr wusste, wo ich mit der Grübelei anfangen sollte, beging ich einen großen Fehler: Ich rief Marc an. Eigentlich hatte ich mir Rat, Aufmunterung und ein bisschen liebevollen Zuspruch erhofft, doch stattdessen musste ich feststellen, dass Marc die Meinung von Pa durchaus nachvollziehbar fand.
»Du weißt, ich kann Alex gut leiden«, sagte er am Telefon. »Aber so unrecht hat dein Vater nicht. Alex schwimmt momentan irgendwo im Nirwana und anstatt sich von dir retten zu lassen, wird er dich so sehr verletzen, dass du untergehst…«
»Hübsche Metapher, Marc«, zischte ich wütend. »Aber wer sagt denn, dass wir untergehen müssen? Ich wollte deine Unterstützung, nicht irgendwelche pessimistischen Weltuntergangsdiagnosen.«
»Tut mir sehr leid«, blaffte Marc. »In Zukunft werde ich dich anlügen, wenn es dir dann besser geht.«
»Ja, bitte.«
Damit war unser Telefongespräch beendet. Am nächsten Tag, dem Montagmorgen, stand er jedoch vor unserer Wohnungstür, voll bepackt mit Medikamenten, Kräutern, frischem Gemüse und einem selbst gestrickten Schal von Ludwig.
Pa war von der Idee einer Vierundzwanzig-Stunden-Betreuung sehr angetan und engagierte Marc
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