Chaosprinz Band 2
und dem Zeigefinger wird größer.
»Jetzt ist er schon drei Zentimeter wütend auf mich«, meint Alex gespielt besorgt an Tom gewandt.
»Drei Zentimeter sind doch noch vollkommen okay.« Tom zuckt entspannt die Schultern. »Wenn es fünf oder sechs Zentimeter sind, dann musst du dir langsam mal Sorgen machen.«
Alex grinst. Schmollend versuche ich, mich aus seiner Umarmung zu lösen. Er lässt mich nicht gehen, hält mich fest an seine Brust gepresst.
»Hilf mir doch, Marc«, rufe ich.
»Ich misch mich da nicht ein«, meint Marc ungerührt. Er hat damit begonnen, an meinem Salat herumzuschnippeln.
»Keine Sorge, Tobi, bald ist Alex ja weg, dann kann er dich nicht mehr ärgern«, wirft Tom in betont beiläufigem Ton ein, ehe er sich eine Karotte in den Mund schiebt.
Ja, stimmt. Ich habe es kurzzeitig total vergessen… Dies ist wahrscheinlich für lange Zeit die letzte Party, auf die ich gemeinsam mit meinem Freund gehen werde… Ich spüre den harten Kloß in meinem Hals. Das Schlucken tut auf einmal weh.
Alex hat aufgehört, zu grinsen. Er sieht Tom finster an und umarmt mich noch etwas fester.
»Könnt ihr die Kuchen und Plätzchen ins Wohnzimmer tragen?«, fragt Marc Alex und Tom. Er reicht beiden jeweils eine Schüssel und ein Tablett, auf dem sich süße Küchlein türmen. Die Jungs gehorchen natürlich sofort und machen sich auf den Weg ins Wohnzimmer. Alex wirft noch einen schnellen Blick über die Schulter, ehe er die Küche verlässt.
»Bambi?«
»Ich komme gleich«, sage ich mit kratziger Stimme. Erleichtert atme ich auf, als er endlich verschwunden ist.
»Wie geht es dir?«, fragt mich Marc sofort. Er mustert mich kritisch und hat die Arme vor der Brust verschränkt.
»Super«, murmle ich bissig.
»Die ganze Sache nimmt dich sehr mit, oder?«
Stumm nickend vergrabe ich meine Hände in den Hosentaschen und starre auf Marcs Schuhe.
»Tobi, du siehst das alles viel zu dramatisch«, meint Marc ernst. »Alex verlässt dich doch nicht. Seine Entscheidung hat nichts mit dir zu tun. Er muss einfach sein Leben ordnen. Du solltest versuchen, ihn dabei zu unterstützen. Außerdem werdet ihr euch doch bald wieder sehen…«
»Marc«, unterbreche ich ihn leise. »Versuch doch nur ein einziges Mal alle rationalen Erklärungen und Argumente außer Acht zu lassen, und stell dir vor, du wärst ich. Stell dir vor, Manu würde zu dir kommen und sagen: Ich liebe dich, aber in vier Wochen bin ich von hier verschwunden! Wie würde es dir gehen, wenn du ihn nicht mehr täglich sehen, wenn du ihn nicht mehr in den Arm nehmen könntest…? Würdest du da hören wollen, dass du ihn unterstützen sollst?«
Wir sehen uns an. Einige Sekunde lang sagt keiner auch nur ein Wort. Dann beißt sich Marc hart auf die Unterlippe. Seine dunklen Augen funkeln warm. Er streckt die Arme nach mir aus, ergreift meine Schultern und zieht mich an sich.
»Okay… Dieses eine Mal hast du die offizielle Erlaubnis, emotional zu sein.«
Ich schmiege mich an ihn und lege meinen Kopf auf seine Schulter. »Bin ich auch ohne Erlaubnis«, murmle ich.
»Ich weiß«, sagt er leise. Es klingt, als ob er lächeln würde.
»Marc«, flüstere ich nach einer Weile.
»Ja?«
»Ich weiß nicht, ob ich das schaffe… ohne Alex…« Wieder dieses Ziepen im Magen. Meine Stimme klingt brüchig. »Wirst du mir helfen?«
»Dumme Frage!«, sagt Marc und dabei streichelt er mir warm und zärtlich mit der flachen Hand über den Rücken. Ich entspanne mich schnell .
»Was ist denn los?« Manu steht im Türrahmen. Er starrt uns erschrocken an. »Ist was passiert?«
Träge hebe ich den Kopf.
»Stell keine Fragen«, hauche ich. »Komm lieber Gruppenkuscheln.«
Manu lacht leise, legt dann seine Arme um Marc und mich. Er küsst meinen Haaransatz und Marcs Lippen und wir lehnen uns zufrieden an ihn.
»Es ist zwar sehr schön, aber irgendwie würde ich schon gerne wissen wollen, was der Grund für diese spontane Kuschelstunde ist«, meint Manu mit sanfter Stimme.
»Es ist Silvester«, murmle ich. »Ein neues Jahr, ein neues Leben… Da sind wir doch alle etwas emotional, oder?«
***
Um Mitternacht geht ein langes Jahr zu Ende. Ein ereignisreiches Jahr. Ich bin volljährig geworden, habe meine Jungfräulichkeit verloren, den Wohnort und die Familie gewechselt und viele, viele neue Menschen kennengelernt. Menschen, die ich lieb habe. Sehr sogar. Einen Vater, eine Stiefmutter, Geschwister und Freunde… und einen Freund. Einen festen Freund. Einen
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