Chaosprinz Band 2
frage ich mit zitternder Stimme und verlasse mit wackeligen Beinen Noresund.
»Ja, wieso?«
Ich will ihm gerade antworten, da bemerke ich, wie sich meine Hose, die ich nach dem Ausziehen einfach auf dem Fußboden liegen gelassen habe, summend bewegt. Ich starre die Jeans vollkommen perplex an, dann verstehe ich: der Vibrationsalarm meines Handys.
»Bambi? Was ist denn?«, fragt Alex in meinem Ohr.
»Warte mal, bitte.« Ich bücke mich und hole mein Handy aus der Hosentasche.
Eine SMS. Von Kim.
Bitte entschuldige meine Reaktion vorhin, ich war einfach sauer. Ich will keinen Streit. Lass uns reden. Ruf mich an. Ich vermiss dich, Kim.
Ich lese die Nachricht zweimal.
»Kim hat mir eine SMS geschickt«, flüstere ich schließlich in den Telefonhörer. »Er will mit mir reden.«
Einen Augenblick lang schweigen wir beide. Dann kann ich Alex am anderen Ende der Leitung sehr tief ausatmen hören.
»Dann ruf ihn doch an«, sagt er mit rauer Stimme.
»Jetzt?«
»Ja.«
Wieder Stille.
»Ich kann nicht«, hauche ich.
»Warum nicht?«
»Weil ich doch gerade mit dir telefoniere. Zwei gleichzeitig geht doch nicht.« Ich zittere.
Alex seufzt erneut. »Dann werde ich wohl am besten auflegen«, sagt er sehr leise.
Kurz darauf ertönt ein Klick und dem folgt ein immer wiederkehrender Tut -Ton. Ich habe nicht einmal die Möglichkeit gehabt, ihn aufzuhalten.
Die ganze Wärme weicht aus meinen Gliedern. Halbnackt und mit nassem Haar stehe ich hier mitten in meinem Zimmer und friere so schrecklich. Ich weiß nicht, wo es kälter ist, draußen im dunklen Zimmer oder drinnen in meinem Körper. Die süße, lustvolle Sehnsucht von eben verwandelt sich in ein hässliches, bitteres Monster, das gemein und parasitenähnlich in meinem Herzen wohnt.
Zitternd schleiche ich zurück zum Bett. Ich krieche unter die warme Decke und schluchze leise vor mich hin. Fast hätte ich vergessen, wie schön es mit Alex sein kann, doch dieses Gespräch hat mich wieder daran erinnert.
Ich muss Kim anrufen. Ich muss mit ihm sprechen, ihm alles erklären. Ich muss unsere Beziehung retten. Mein Innerstes tut zwar noch immer weh, trotzdem nehme ich das Handy wieder in die Hand, um nach Kims Nummer zu suchen.
Auf dem Bildschirm blinkt etwas. Eine neue Nachricht. Die SMS ist von Manu.
Marc hat Schluss gemacht.
36. Kapitel
Neue Lügen und neue Wahrheiten
»Am Sonntag kommen Großvater und Großmutter zum Kaffee und wir werden einige Einzelheiten bezüglich ihrer Goldenen Hochzeit besprechen.« Pa sieht Alex und Maria über den Frühstückstisch hinweg an. Die Geschwister schweigen und konzentrieren sich mit unbeweglicher Miene auf ihre Marmeladenbrote.
»Natürlich wird es eine ziemlich anstrengende Veranstaltung mit vielen wichtigen Leuten, viel Essen und viel Gerede, aber…« Er schaut auf, als ihn mein tiefes Seufzen unterbricht.
Ich stütze mich mit dem Ellenbogen auf der Tischplatte ab und starre emotionslos in mein Müsli. Nun sieht er mich ganz direkt an. Auch Bettinas Augen ruhen auf mir. Ihre bohrenden Blicke gehen mir auf die Nerven.
»Was ist?«, frage ich leise. »Denkt ihr, ich kann mich nicht benehmen?«
»Nein«, sagt Bettina hastig.
»Wenn wir an das letzte Abendessen zurückdenken…« Pa seufzt.
»Ich fand Herrn und Frau Pohlmann viel unhöflicher. Man bestellt nicht einfach für alle Fisch, wenn man sich nicht sicher ist, ob das auch jeder mag«, verteidige ich mich schnell.
Elena stößt mich mit dem Fuß unter dem Tisch an, doch ich weiß wirklich nicht, warum ich diese ganzen schrecklich ungerechten Vorwürfe auf mir sitzen lassen sollte. Ich schiebe schmollend meine Unterlippe nach vorne. Pa verdreht die Augen und rauft sich schon wieder die Haare. Tut er sehr häufig, wenn es um mich geht…
»Wir möchten doch nur, dass du dich etwas am Riemen reißt, okay? Sei einfach ein wenig ruhiger und vor allem nicht so…« Er fuchtelt etwas hilflos mit der Kinderplastikschere in der Luft herum.
»…schwul?«, vollende ich seinen Satz mit bissigem Spott in der Stimme.
Bettina und Pa zucken ganz fürchterlich zusammen. Mein Gott, machen die das jetzt jedes Mal, wenn wir auf dieses Thema kommen? Man könnte meinen, ich wäre vom Satan persönlich besessen und würde grünen Schleim spucken oder mit krächzender Stimme vulgäre Ausdrücke in den Raum brüllen.
Mit besorgten Gesichtern sehen die beiden Maria und Alex an, als würden sie befürchten, meine Stiefgeschwister könnten vor Schreck zu weinen anfangen.
»Wir
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