Chaosprinz Band 2
abgeschlossen. Er meinte noch, er würde sich melden und dann könnten wir alles Weitere besprechen…« Manu sieht sehr blass aus.
»Und dann bist du gegangen?«, frage ich tonlos.
»Ich bin zu Janosch und Uwe gefahren. Ich stand vollkommen neben mir und wusste nicht, was ich tun sollte. Jetzt denke ich, ich hätte nicht einfach so gehen dürfen. Ich hätte kämpfen müssen. Ja, vielleicht hätte ich ihn wirklich zwingen müssen, mit mir zu reden.« Er ballt seine linke Hand zu einer Faust.
»Ach, Quatsch, Manu. Du kennst Marc doch, du weißt, wie bockig und verschlossen er reagiert, wenn man ihn einengt und zu etwas zwingen möchte. Er wollte gestern nicht reden. Mit Gewalt hättest du nichts erreicht und alles nur noch schlimmer gemacht.« Jens sieht seinen Kumpel ernst an. Manu nickt schwach.
»Außerdem warst du selbst sehr verletzt und durcheinander, schließlich hat er dich gebeten, zu gehen. Da ist es nur richtig, dass er auch den ersten Schritt auf dich zu macht«, meint Janosch und schenkt Manu ein mitfühlendes Lächeln.
»Und das wird er auch tun.« Ludwig hält seine Keksdose mit beiden Händen umklammert. Die runde Brille sitzt schief auf seiner Nase und die wirren, weißen Haare sind heute sogar noch ein bisschen wirrer und weißer als sonst.
»Hast du ihn heute schon gesehen?«, frage ich Manu vorsichtig.
»Nein, er hat sich den Tag frei genommen…« Manu blickt finster drein. »Ich weiß nicht, sollte ich zu ihm fahren und ihn zur Rede stellen? Ich halte das einfach nicht mehr aus!« Er wirkt wirklich verzweifelt.
Wir sehen ihn voller Zuneigung und Mitgefühl an. Nur wird ihm unser Verständnis allein nicht wirklich helfen.
»Gib ihm etwas Zeit«, bittet Ludwig leise. »Ich werde ihn besuchen. Vielleicht finde ich ja heraus, was so plötzlich in ihn gefahren ist. Und ich sage ihm natürlich auch, dass du dir unendliche Sorgen machst und ihn unbedingt ganz schnell sprechen möchtest.«
Manu sieht ein bisschen besänftigt aus. Er nickt Ludwig dankbar zu.
»Kann ich mitkommen?«, frage ich mit krächzender Stimme.
»Das ist sehr lieb von dir, Tobi, aber ich denke, Marc möchte gerade niemanden sehen. Aber ich sage ihm Grüße von euch allen.« Ludwig schenkt mir ein warmes, väterliches Lächeln.
»Nein, ich… ich muss mit ihm sprechen… Wegen dem Streit…« Ich werde rot. Neugierige Blicke richten sich nun auf mich.
»Dieser Streit…« Manu sieht mich an. »Worum ging es da eigentlich?«
Ich starre in meine Kaffeetasse. Wieso klingelt in solchen Momenten niemals das Telefon oder jemand löst einen Feueralarm aus? Ich finde, das wäre ein guter Augenblick für ein Erdbeben oder einen Tsunami.
»Wir haben uns wegen Alex gestritten… wegen Alex und Kim. Er hat wieder davon angefangen, dass ich alles überstürzen und falsch machen würde. Und ich habe gesagt, das geht ihn nichts an und dass er mich und mein Leben in Ruhe lassen soll.« Gute Ausrede! Schrecklich gut. Ich bin von meiner eigenen Dreistigkeit entsetzt. Gratulation.
Die anderen schlucken meine Lüge. Wenngleich sie auch etwas enttäuscht scheinen. Sie haben wohl gehofft, von mir einen Hinweis auf Marcs Verhalten zu bekommen. Unsicher sehe ich Manu an. Er nippt lustlos an seinem Kaffee und ist vollkommen in Gedanken versunken. Ich weiß, wo er gerade ist. Daheim, bei dem Menschen, den er liebt… Und der ihn nicht mehr sehen will.
»Bitte, Ludwig, darf ich mitkommen? Ich muss mit Marc reden, es ist sehr wichtig.« Meine Stimme zittert.
Ludwig ist unschlüssig. »Denkst du nicht, das hat noch ein bisschen Zeit. Marc wird dir bestimmt nicht mehr böse sein.«
»Bitte.« Ich sehe ihn flehend an.
Er kann meinem Blick nicht lange Stand halten. »Na gut.«
Ich lächle erleichtert.
***
Ludwig klingelt. Überflüssigerweise. Wir können hinter der Wohnungstür den Staubsauger, die Stereoanlage, den Fernseher und das Radio hören. Ein Höllenlärm.
»Er putzt«, meint Ludwig und ein schwaches Lächeln erscheint auf seinen schmalen Lippen. Dann kramt er in seiner Jackentasche nach einem Schlüsselanhänger. Er braucht eine Weile, bis er den richtigen Schlüssel herausgefiltert hat. Ich trete nervös von einem Bein aufs andere. In meinem Magen rumort es und meine Hände sind feucht. Ich habe Angst.
Ludwig steckt den Schlüssel ins Schloss und öffnet die Wohnungstür. Im Flur herrscht ein heilloses Durcheinander. Alle Schränke stehen offen und die Inhalte sind ausgeräumt worden, damit die Regalböden abgewischt werden
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