Chaosprinz Band 2
können.
Als wir einen Blick ins Wohnzimmer werfen, bietet sich uns ein ganz ähnlicher Anblick. Bücher sind aus den Schränken und Regalen geräumt und stapelweise nach Größe und Verlagen geordnet worden. CDs und DVDs liegen geordnet auf dem Fußboden und mitten im Raum steht ein Bügelbrett, daneben ein riesiger Stapel frisch gewaschener Wäsche.
»Er putzt«, wiederholt Ludwig vollkommen überflüssigerweise. Ich nicke nur. Der Lärm des Staubsaugers kommt aus der Küche. Langsam machen wir uns auf den Weg dorthin.
Marc kniet auf dem Boden unter dem Küchentisch und saugt die Unterseite der Tischplatte. Ich habe noch nie einen Menschen die Unterseite eines Tisches saugen sehen. Er hat uns noch nicht bemerkt, so sehr ist er in seine Arbeit vertieft.
Er trägt ein Kopftuch, damit ihm Strähnen des schwarzen Haares nicht ständig in die Stirn fallen, und um den Körper hat er sich eine sehr altmodische Frauenschürze gebunden. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte ich mich über sein Outfit köstlich amüsiert und ihn bestimmt noch Wochen später damit aufgezogen, doch hier und jetzt ist mir nicht nach Lachen zumute.
»Marc«, ruft sein Vater immer wieder, ohne dabei zu ihm durchzudringen. »Marc.«
Ich gehe durch den Raum und mache den Staubsauger aus. Marc sieht den Schlauch in seiner Hand ziemlich verdattert an, dann flucht er und krabbelt unter dem Tisch hervor, um nachzuschauen, was mit dem dummen Gerät los ist. Er sieht mich und zuckt fürchterlich zusammen. Sekundenlang starren wir uns einfach nur an. Dann rappelt er sich hastig auf.
»Was machst du denn hier? Wie bist du hier reingekommen?«, zischt er aufgebracht.
»Er ist mit mir hier«, meldet sich sein Vater.
»Paps!« Marc verdreht die Augen. »Was soll denn das? Bitte sagt mir, dass ihr die Einzigen seid.«
»Wir sind nur zu zweit«, beruhigt ihn Ludwig schnell. Er geht auf seinen Sohn zu und nimmt ihn ohne zu zögern in den Arm. Ludwig sieht neben Marc ziemlich klein und zerbrechlich aus und dabei ist Marc auch kein Riese. Marc streichelt den Rücken seines Vaters und man kann nicht erkennen, wer hier wen tröstet.
»Was ist denn passiert, Marc?« Ludwig sieht ihn mit glänzenden Augen an.
»Ach, Paps…«, seufzt Marc und deutet mit einer einfachen Handbewegung an, dass er nicht darüber reden will.
»Manu war gerade bei mir im Laden und es geht ihm sehr, sehr schlecht«, berichtet Ludwig ohne Umschweife. »Er will mit dir reden. Er vermisst dich sehr.«
Marc läuft eilig in der Küche herum, macht das plärrende Radio aus und füllt dann einen blauen Plastikeimer mit frischem Wasser und Putzmittel.
»Ich werde mit ihm sprechen – aber nicht heute…«, murmelt er leise und schleppt den Eimer zum Kühlschrank, der ebenfalls leer geräumt ist.
»Marc, du willst dich doch nicht wirklich von ihm trennen, oder?«, fragt Ludwig ängstlich. Marc antwortet nicht. »Das kannst du doch nicht machen. Ich meine, denk doch mal an eure wunderbare Vergangenheit, die Praxis, die Wohnung, eure Freunde –« Ludwig ist verzweifelt.
»Ich habe doch gerade gesagt, ich werde heute nicht darüber sprechen«, unterbricht ihn Marc sehr grob.
Einige Minuten lang herrscht Schweigen. Marc schrubbt den Kühlschrank und Ludwig und ich sehen ihm dabei zu. Schließlich beginnt Ludwig, wie immer wenn ihm nichts anderes einfällt, Kaffee zu kochen.
»Lass das, Paps«, murrt Marc genervt. »Ich muss hier arbeiten.«
»Das sehe ich, du hast schon die ganze Wohnung in ein einziges Chaos verwandelt.« Ludwig schmunzelt vorsichtig. Marc schnaubt und lässt den Putzlappen in den Eimer klatschen, so dass eine ordentliche Portion Wasser herausspritzt.
»Wieso setzt du dich nicht einfach mal auf die Couch und lässt dir von mir einen schönen Kaffee machen, hm?« Ludwig lächelt.
»Nein, danke.«
»Ich mache Brownies. Und du darfst sie auch essen, wenn sie noch warm sind…«
Marc scheint tatsächlich überzeugt zu sein. Oder vielleicht ist er auch nur müde vom vielen Schrubben und Putzen. Jedenfalls zuckt er betont desinteressiert mit den Schultern und schlurft dann langsam aus der Küche in Richtung Wohnzimmer. Ludwig ist zufrieden und beginnt sofort, zwischen Backofen und Küchenschränken hin und her zu wuseln.
Ich stehe immer noch bewegungslos wie eine Salzsäule mitten im Raum. Überrascht sieht mich Ludwig an, als hätte er vollkommen vergessen, dass ich überhaupt hier bin.
»Tobi, warum gehst du jetzt nicht los und sprichst mit ihm?«, fragt er mich.
Ich
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