Chaosprinz Band 2
rüber und küsse seine Wange.
Und dann weint er auch.
***
Es ist kurz nach zweiundzwanzig Uhr, als ich schließlich nach Hause komme. Ich bin sehr müde. Eines der Autos fehlt. Alex ist mit ein paar Kumpels zu Tom gefahren. Sie wollen dort Fußball schauen. Pas Daimler steht aber vor der Garage. Er ist also zu Hause. Keine Ausflüge zu Frau Eichel. Gut! Ich schließe die Haustür auf.
»Hallo?« Ich stecke den Kopf ins Wohnzimmer. Niemand da.
»Bettina telefoniert und dein Vater ist oben im Arbeitszimmer.«
Martha steht ganz plötzlich hinter mir im Flur. Sie muss wohl eben aus der Küche gekommen sein.
»Hallo, Martha, du hast mich aber erschreckt.« Ich lächle.
»Tut mir leid.« Ihre Miene ist todernst.
»Was ist denn?«, frage ich unsicher. »Ist was passiert?«
Sie antwortet nicht gleich. Mit traurigem Blick dreht sie sich um und geht zurück in die Küche. »Komm bitte mit, Tobi.«
Ich habe ein ganz flaues Gefühl im Magen. Nervös folge ich ihr. Karl sitzt am Küchentisch, vor sich eine Tasse Tee und auch sein Gesichtsausdruck ist sehr düster. Als er mich sieht, nickt er kurz mit dem Kopf.
»Bitte setz dich«, fordert mich Martha auf und deutet auf den Stuhl zwischen ihr und Karl. Ich lasse mich darauf nieder und schaue unsicher zwischen den beiden hin und her.
»Nun sagt mir schon, was passiert ist«, verlange ich ungeduldig. Langsam machen sie mir Angst.
»Tobi, du hast heute einen Telefonanruf bekommen«, erzählt mir Martha seufzend.
»Einen Telefonanruf?« Ich schlucke. »Ist was mit meiner Ma? Oder meiner Oma? Tina oder Mario?« Panik steigt in mir auf. Mir wird schlecht.
»Nein, es ist nichts passiert«, beruhigt mich Martha. »Ein Markus Wesser hat für dich angerufen.«
Markus Wesser? Der Künstler mit der Galerie? Ich verstehe nicht…
»Gut...«, sage ich unsicher.
»Tobi, Markus Wesser ist der Vater von Alex und Maria.«
37. Kapitel
Der neue Vater
Die breite Straße ist sehr stark befahren. Viele Menschen schlendern die Bürgersteige zu beiden Seiten der Straße entlang. Einige bleiben stehen, um die Auslagen in den verschiedenen Schaufenstern zu begutachten. Und zwischen einer kleinen Pizzeria und einem Elektroshop befindet sich eine Galerie. Noch ist es nur ein großer Raum mit weißen Wänden. Aber bald soll sich das ändern. Bald soll daraus eine richtige Galerie werden. Mit ganz vielen Bildern.
Mitten in dem leeren Raum steht ein provisorischer Tisch, der aus zwei Holzböcken und einer einfachen Arbeitsplatte besteht. Ein Mann beugt sich über den Tisch. Er hat die lange Leiste darauf gelegt und beginnt, sie in zwei Hälften zu sägen. Dieser Mann heißt Markus Wesser. Er ist Alex' Vater.
Ich beobachte ihn von der anderen Straßenseite aus. Ich kann ihn deutlich erkennen. Durch das große Fenster seiner leeren Galerie. Das Weiß der Wände wird durch das helle Licht der Strahler noch deutlicher hervorgehoben und man hat das Gefühl, als würde der gesamte Raum von innen heraus leuchten.
Hier draußen ist es nass, kühl und ungemütlich. Langsam wird es dunkler und fast jeder, der an der Galerie vorbeigeht, wird auf dieses Strahlen aufmerksam und blickt verwundert durch das breite Fenster in den kahlen Raum.
Mir wird kalt. Bibbernd stecke ich die Hände in die Jackentaschen.
In München leben so verdammt viele Menschen. Warum also musste ich ausgerechnet diesem Mann begegnen? Vielleicht ist Gott gelangweilt. Er sitzt dort oben in seiner Wolke, schaut auf die Erde runter und gähnt.
Schon wieder Krieg, denkt er sich. S eit Millionen von Jahren dasselbe Bild. Erst schlugen sich die Menschen mit Keulen die Köpfe ein, dann mit Streitäxten und nun werfen sie Bomben. Wie öde. Und ewig diese Krankheiten, das hat mich schon im Mittelalter genervt, da sind sie alle an der Pest verreckt. Auch nichts Neues. Hm, was könnte denn so richtig Unterhalt-sames passieren? Ach, ich weiß, der kleine Tobi Ullmann trifft auf den verschollenen Vater seiner großen Liebe. Na, wenn das nicht ein paar hübsche kleine Probleme hervorruft. Das wird bestimmt sehr lustig…
Gott braucht ein neues Hobby!
Für Martha war es ein Schock. Zusammen mit Karl hat sie mir unheimlich viele Fragen gestellt. Wie drei Verschwörer saßen wir in der halbdunklen Küche und unterhielten uns flüsternd.
Ich erzählte Martha und Karl von meinem Treffen mit Markus. Leider kam ich nicht dazu, meine eigenen, zahlreichen Fragen zu stellen. Bettinas plötzliches Auftauchen unterbrach unser geheimes
Weitere Kostenlose Bücher