Charade - Bittersueßes Spiel
auf meiner Liste.
Bevor ich mich auf den Weg mache, schaue ich noch bei Mom vorbei. Als ich heute mit ihr telefoniert habe, klang sie, als ginge es ihr ziemlich dreckig. Mein Magen verkrampft sich jedes Mal, wenn ich daran denke, sie sehen zu müssen, was mich wohl zu einem ziemlichen Schwächling macht. Ich bin ihr Sohn, und sie liegt im Sterben. Ich sollte besser mit der Situation umgehen können. Für sie.
Mein Herz schlägt wie verrückt, als ich die Wohnung betrete. Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar, was nervt. Ich hasse nervöse Gewohnheiten wie diese.
»Sie schläft, Colton«, sagt Maggie von der Küche aus.
Ich ändere die Richtung und gehe auf sie zu. »Wie geht es ihr? Wie ist ihr Termin heute gelaufen?«
Maggie seufzt. Ihr graues Haar ist zu einem Dutt zusammengefasst, der aus meinem Blickfeld verschwindet, als sie sich zu mir umdreht. »Sie haben ihr noch ein Medikament verschrieben. Es ist stärker und soll die Übelkeit und das Erbrechen etwas lindern. Ein paar neue Schmerztabletten hat sie auch bekommen.«
Ich lehne mich an den Tisch. »Fuck!«
»Küsst du deine Mama mit diesem Mund?«
Sie versucht, mich zum Lächeln zu bringen, aber das kann ich gerade nicht. »Ich bin nicht in Stimmung, Maggie.«
Sie kommt zu mir herüber, ein trauriger Blick in ihren Augen. Ich weiß, für sie ist die Situation fast genauso schwierig, wie für mich. Sie ist die beste Freundin, die meine Mom je hatte.
»Wie viel, Maggie?«
»Das willst du nicht wissen, Colton.«
»Und in zwei Wochen läuft der Mietvertrag aus. Sie erhöhen immer die Miete, wenn ein neuer Vertrag zu unterschreiben ist. Das Hospiz wird für die Medikamente aufkommen. Ich sorge mich eher um die Miete und die Rechnungen.«
Braucht sie überhaupt einen neuen Vertrag?
Als ich über diese Gedanken stolpere, fühle ich mich wie der größte Mistkerl aller Zeiten. Sie wird einen neuen Vertrag brauchen.
Sie muss
.
»Fuck«, presse ich erneut heraus. Hört das jemals auf? Mein Gott, sie hat sich ihr Leben lang nur Mühe gegeben. Sie war für mich da, hat sich den Arsch abgerackert, obwohl sie mich ganz einfach hätte zurücklassen können. So wie Dad. Aber das hat sie nicht getan. Nicht, während Dad im Gefängnis ein- und ausgegangen ist. Nicht, als wir jeden Tag Rahmnudeln essen mussten.
Soll das etwa ihre Belohnung sein?
»Ich werde mehr Stunden arbeiten. Suche mir vielleicht ein paar Gelegenheitsjobs.« Maggie berührt meine Hand, doch ich rede weiter. »Ich hätte hier bei ihr sein sollen. Stattdessen habe ich Stunden auf der Uni verschwendet.«
»Sie will, dass du studierst. Das weißt du. Du wirst ihre Träume leben, und das ist alles, was für sie zählt.«
Darauf antworte ich nicht. »Ich werde reingehen und nach ihr sehen.«
Ich mache mich auf den Weg zu Moms Zimmer. Sie liegt völlig reglos im Bett und ist bleich wie ein Gespenst. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Heilige Scheiße, sie sieht aus wie tot. Sie kann doch verdammt noch mal nicht tot sein oder?
»Hat dir nie jemand gesagt, dass es unhöflich ist, Leute anzustarren?« Sie öffnet die Augen.
Ich atme schwer aus. »Meine Mom hat versucht, mir Manieren beizubringen, aber das hat nicht so gut funktioniert«, necke ich sie, während ich den Raum betrete.
»Doch hat es. Du tust nur gern so, als hättest du keine.«
Ich ziehe einen Stuhl an ihr Bett und setze mich. Sobald sie wissen, dass du sterben wirst und nichts dagegen unternommen werden kann, ist es anders. Keine Krankenhäuser. Alles, was man tun kann, ist zu warten. Und Medikamente zu nehmen. Bloß immer die Medikamente nehmen.
»Wie fühlst du dich?« Ich bin nicht in der Stimmung, gute Laune vorzutäuschen.
»Froh, meinen Sohn zu sehen. Was machst du heute Abend noch? Hast du irgendwelche großen Pläne mit deinen Freunden?« Ein kleines Lächeln liegt auf ihren viel zu trockenen Lippen.
Neben ihrem Bett steht ein Becher, den ich hochhebe. »Lass mich dir helfen, ein wenig zu trinken.«
Sie schüttelt den Kopf, als ich den Strohhalm an ihren Mund führe. Mit zittriger Hand nimmt sie mir das Glas ab. »Es geht schon. Ich mag es nicht, wenn du mir helfen musst.«
Jemand sollte das aber. Sie verdient es. Schließlich ist es nicht so, als hätte sie sich nicht auch um andere gekümmert.
»Ich dachte, ich hänge heute mit dir rum. Wir könnten einen Film ansehen.«
Mom nimmt einen kleinen Schluck, dann stelle ich den Becher auf ihren Nachttisch zurück. »Du bleibst heute nicht bei mir. Geh aus, und hab
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