Charade - Bittersueßes Spiel
eine Mütze auf ihrem kahlen Kopf. Als ich sie sehe, zieht sich mein Herz zusammen. Sie ist so krank, es ist überraschend, dass sie aufrecht sitzen kann.
»Hey.« Ich gehe auf sie zu und umarme sie. Ich weiß nicht, ob das in Ordnung ist, aber ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. »Das ist Tammy. Sie wird dir etwas Tinte verpassen.« Ich zwinkere ihr zu und versuche, fröhlich zu klingen.
Tammy sieht nervös aus, als sie Bevs Hand schüttelt. »Nett, Sie kennenzulernen. Wissen Sie, was Sie haben möchten?«
Bev nickt. Als sie Tammy sagt, was sie will, kommen mir beinahe wieder die Tränen.
Die Tätowiererin lächelt und beginnt, ihr Equipment vorzubereiten. Ich sehe dabei zu, wie sie verschiedene Päckchen öffnet, darunter neue Papiertücher. Sie holt Tinte und Reiniger hervor und erklärt, dass sie nur ein paar Farben mitgebracht hat. Bev sagt ihr, dass es okay sei. Sie brauche nur Schwarz.
Ich halte Bevs linke Hand, während Tammy ihr rechtes Handgelenk tätowiert. Dabei zuckt sie kein einziges Mal zusammen. Sie sitzt einfach nur da, ihren Blick auf Tammy gerichtet, während diese arbeitet.
Ich kann nicht aufhören, sie anzusehen. Ich wette, sie war wunderschön. Ihr Haar war bestimmt so blond wie Colts. Er hat ihr Lächeln und auch das Grübchen, das ich so an ihm liebe. Ihres kann man deutlicher sehen. Ob es daran liegt, dass sie so dünn ist oder ob es immer so war, weiß ich nicht.
Sie wirkt stolz, während Tammy arbeitet. Ich sehe, wie glücklich sie das macht. Wie viel es ihr bedeutet, das hier für ihren Jungen zu tun.
Für Colt.
Ich denke, sie könnte die unglaublichste Mom der Welt sein. Diese Frau, die so viel durchgemacht hat, und immer noch hier ist. Meine Mom musste nicht annähernd so viel durchmachen und hat aufgegeben.
Beide sind fort oder müssen zu früh gehen, doch nur eine, hat nichts zu bereuen. Und plötzlich bin ich wütend. Wütend auf meine Mom, während ich Colts bewundere.
Seltsam … Ich bin nicht auf sie wütend. Sondern
für
sie. Weil sie es versäumt, mich so zu sehen, wie Bev Colt sieht. Weil sie sterben musste, als sie noch so viel Zeit gehabt hätte, etwas zu verändern. Was wäre geschehen, wenn sie es getan hätte?
»Und fertig.« Tammys Gummihandschuhe machen ein dumpfes Geräusch, als sie sie abstreift.
Bev bewegt sich nicht. Spricht nicht. Für eine Sekunde habe ich Angst, das Falsche getan zu haben. Dass sie es bereut oder Tammy etwas falsch gemacht hat. Aber dann sieht sie mich an. Tränen glitzern in ihren dunkel umrandeten Augen, und ich weiß, das sind keine Tränen, weil sie bereut. Sie haben mit Liebe und Glück zu tun.
»Es ist wunderschön.« Bev versucht, unter Tränen zu lächeln.
Sie ist nicht meine Mom, und ich kenne sie kaum, aber ich umarme sie. Fest. Umarme sie, wie mich meine Mom umarmt hat, als ich sie zum letzten Mal gesehen habe.
Bedeutet das, sie wusste, sie würde mich niemals wieder sehen? In diesem Moment ist das nicht wichtig. Nichts ist wichtig, nur Bev, die Liebe zu ihrem Sohn und der Ausdruck von Stolz auf ihrem Gesicht.
Ich umarme sie so fest, dass ich Angst habe, sie zu zerbrechen, und ich kann sehen, dass sie weiß, sie hat heute etwas Bedeutungsvolles getan. Egal wie klein es erscheinen mag, für sie ist das etwas Monumentales. Colt ist nicht mehr nur ein Teil ihres Herzens, sondern auch in ihre Haut eingraviert.
»Danke. Vielen Dank, dass du mir geholfen hast«, flüstert sie in mein Ohr.
»Keine Ursache. Ich bin froh, dass ich etwas für dich tun konnte.«
Ich weiche zurück und sehe, dass Tammy nicht mehr im Zimmer ist. Ich wische mir die Tränen weg, und Bev tut dasselbe.
»Wie viel schulde ich ihr?«, fragt sie, und ich schüttle den Kopf.
»Mach dir keine Sorgen, das …«
»Nein.«
Es ist das Mindeste, was ich tun kann. Für sie. Für Colt. »Bitte. Mach dir keine Sorgen deswegen.«
Bev drückt meine Hand. »Ich bin müde. Ich muss mich ausruhen.« Ihre Augen schließen sich bereits.
»Okay. Wir werden Maggie erklären, wie man sich darum kümmern muss. Sie wird reinkommen und es verbinden müssen«, erkläre ich, nicht sicher, ob sie mich gehört hat. Als ich mich ein paar Schritte vom Bett entfernt habe, stoppt mich ihre Stimme.
»Ich bin froh, dass er dich hat.«
Ich verlasse das Zimmer, um nicht vor ihr zusammenzubrechen. Er hat mich bereits. Ich wünschte nur, ich wüsste, ob er mich auch will oder nicht.
Tammy wartet auf mich, als ich ins Wohnzimmer komme. »Wie viel schulde ich
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