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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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Strängen und wird zudem ironisch durch die Gestalt Jerry Crunchers kontrapunktiert, der zur illegalen Zunft der
resurrection men
, der ‹Auferstehungsmänner›, gehört; so nannte man gewerbsmäßige Leichenräuber, die Gräber öffneten, um die Leichen an Anatomen zu verkaufen.
    Der Roman beginnt mit einer Ouvertüre, die – anders als in den früheren Werken – kein intensives Einzelbild, sondern ein Breitwandpanorama der politischen und sozialen Verhältnisse in England und Frankreich entwirft. Die Handlung setzt im Jahr 1775 ein, dem Jahr, in dem die amerikanische Rebellion gegen die englische Herrschaft begann. Auf dieses Ereignis wird im Verlauf des Romans noch einmal mit einer beiläufigen Erwähnung George Washingtons Bezug genommen. Die Ouvertüre selber beginnt mit dem Satz:
    Es waren die besten Zeiten, es waren die schlimmsten Zeiten, es war das Zeitalter der Weisheit, es war das Zeitalter der Torheit, es war die Epoche des Glaubens, es war die Epoche des Unglaubens, es war die Zeit des Lichts, es war die Zeit der Finsternis, es war der Frühling der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung, wir hatten alles vor uns, wir hatten nichts vor uns, wir gingen direkt in den Himmel, wir gingen alle direkt den anderen Weg: kurzum, die Epoche glich unserer Gegenwart so sehr, dass einige der lautstärksten Autoritäten darauf bestanden, im Guten wie im Bösen nur in Superlativen darüber zu reden.
    Die zur Zeit der Revolution spielende Handlung setzt erst im dritten Buch ein. Bis dahin wird erzählt, wie der Neffe und voraussichtliche Erbe des skrupellosen französischen Aristokraten St. Evrémonde sich von seiner Familie lossagte und unter dem Namen Charles Darnay in London ein Leben als einfacher Bürger begann. In einer Parallelhandlung wird Dr. Manette, der 18 Jahre lang in der Bastille gefangen saß, nach London gebracht, wo er, nachdem seine englische Frau dort gestorben ist, seine Tochter Lucie wiederfindet. Manette hat in seiner Zelle ein Dokument vergraben, in dem er die Verbrechen von Darnays Onkel enthüllt, deren Zeuge und Opfer er wurde. Diese ‹Erbschaft› schlummert dort wie eine Zeitbombe, die langsam, doch unaufhaltsam weitertickt. Als Darnay in London Manettes Tochter kennenlernt und heiratet, offenbart er am Vorabend der Hochzeit dem künftigen Schwiegervater seine Identität, worauf dieser blass vor Schrecken wird.
    Doch erst Jahre später geht die Mine hoch, als 1792 ein gewisser Gabelle in Paris angeklagt wird, den Darnay, nachdem er seinen ermordeten Onkels beerbt hatte, mit der Wiedergutmachung von dessen Verbrechen beauftragt hatte. Ohne Wissen seiner Familie reist Darnay nach Paris, um Gabelle zu entlasten. Dabei wird er selber auf Grund des in der Bastille gefundenen Dokuments angeklagt und zum Tod durch die Guillotine verurteilt. Gerettet wird er in letzter Minute durch den zweiten und eigentlichen Helden des Romans, Sydney Carton, der Darnay ähnlich sieht und sich aus Liebe zu Lucie für ihn opfert, indem er ihn mit einer Droge betäubt, mit ihm die Kleider tauscht und an seiner Stelle den Gang zur Guillotine antritt. An diesem Höhepunkt dermelodramatischen Handlung kommen die getrennten Erzählstränge zusammen, die Dickens von Anfang an aufeinander zulaufen lässt.
    Carton ist ein willensschwacher, von Selbsthass gelähmter Mann, dessen guter Kern erst durch seine Liebe zu Lucie freigelegt wird. Da er sich für wertlos hielt, machte er keinen Versuch, um sie zu werben, schwört ihr aber, alles für sie tun, wenn sie einmal Hilfe brauche. Als Partner des Anwalts Stryver dient er diesem wie ein «Schakal» dem «Löwen». Durch seine Ähnlichkeit mit Darnay hatte er diesen schon in London davor bewahrt, als französischer Spion zum Tode verurteilt zu werden. Die Szene, in der sein Entschluss zum Opfertod fällt, wird von der dreimaligen Wiederholung des Bibelzitats «Ich bin die Auferstehung und das Leben» und vom Bild der Seine begleitet. Für ihn, der von Anfang an als Treibender eingeführt wurde, ist der Symbolbereich des Wassers das Medium für eine moralische Wiedergeburt. Dagegen fand Darnays Onkel, der moralisch verhärtete Aristokrat, ohne ein solches Regenerationserlebnis einen gewaltsamen Tod von der Hand eines Rächers, während sein Schloss niedergebrannt wurde.
    So typisch für Dickens die Symbolik des Romans ist, so untypisch ist das völlige Fehlen von Humor. Von gelegentlichen Wendungen ins Makabre abgesehen rollt das Geschehen mit gleichbleibender

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