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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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schreiben. Dickens kam der Bitte nach und versuchte dabei so fair wie möglich zu sein, konnte es sich aber nicht verkneifen darauf hinzuweisen, dass der Verstorbene mit seiner durchgängigen Ironie die Ernsthaftigkeit von Literatur in Frage gestellt habe, was für den Status der Kunst nicht gut sei. Das wirkt so, als wollte er es Thackeray heimzahlen, dass dieser offensichtlich seine, Dickens’, moralischeSeriosität in Frage stellte; denn Thackeray hatte den Kontakt zu Dickens’ Frau weiter aufrechterhalten und in privaten Äußerungen nicht mit missbilligenden Urteilen über das Verhalten seines Rivalen gespart.
    Seinen letzten Roman
Große Erwartungen
hatte Dickens ohne Illustrationen gelassen. Erst ein Jahr nach dem Erscheinen der ersten Buchausgabe hatte er für den Nachdruck in der
Library Edition
bei seinem jungen Freund Marcus Stone acht Illustrationen dafür in Auftrag gegeben.
Unser gemeinsamer Freund
sollte nun wieder wie die früheren von Anfang an mit Illustrationen erscheinen, und auch hier hatte er Stone darum gebeten. Dessen Zeichnungen unterscheiden sich erheblich von Brownes, der zuvor als der Dickens-Illustrator schlechthin galt. Obwohl auch Browne bei den späteren Werken den skurrilen Stil der frühen Werke zugunsten eines realistischeren aufgab, behielt er doch die Technik der überwiegend kleinfigurigen Darstellung bei. Stone konnte sich damit nicht anfreunden und zeichnete großfigurige Szenen, was realistischer wirkte.
    Im März 1864 starteten Chapman & Hall eine aufwändige Werbung für den neuen Roman, dessen erste Folge am 30. April herauskam. Die Anfangsauflage von 40.000 lag über der von
Little Dorrit
, dem letzten Roman, der in monatlichen Folgen erschienen war. Dass 30.000 Exemplare bereits in den ersten drei Tagen verkauft wurden, zeigt an, dass die Werbekampagne gefruchtet hatte. Da Dickens einen Vorsprung von vier Folgen hatte, konnte er es sich leisten, im Mai den Vorsitz eines Sponsorentreffens für die Gründung von zwei Schulen für Schauspielerkinder zu übernehmen. Den zur gleichen Zeit laufenden Bemühungen um ein Denkmal für Shakespeare zur Feier von dessen 300. Geburtstag stand er jedoch ablehnend gegenüber. Von Monumenten hielt er nichts. Dichter sollten seiner Meinung nach nur durch die Lektüre ihrer Werke und die Aufführung ihrer Stücke geehrt werden.
    Im Juni hatte Dickens auf einmal Mühe, die nötige Inspiration für die nächsten Folgen des Romans zu finden. Sein Vorsprung begann zu schrumpfen. Außerdem gingen die Verkaufszahlen nach unten. Den ganzen heißen August hindurch sah er den Vorsprung weiter schmelzen. Hinzu kamen gesundheitliche Probleme. Schon in den Jahren zuvor hatte er gespürt, dass sein Körper nicht mehr der hektischen Aktivität seines Geistes folgen konnte. Jetzt setzte bei ihm ein Leiden ein,das ihn von nun an immer häufiger heimsuchen sollte. Es war eine Lähmung des linken Fußes, die mit heftigen Schmerzen verbunden war. Er selber schob es auf Erfrierungen, die er sich bei langen Wanderungen im Schnee zugezogen hatte. Wahrscheinlich war es aber Rheuma. Oft schwoll der Fuß so an, dass er in keinen Schuh passte. Nervöse Beschwerden mit Krämpfen traten auch an anderen Körperteilen auf. Da er sich über Hypochondrie stets lustig gemacht hatte, neigte er dazu, die Symptome zu unterdrücken und mit zusammen gebissenen Zähnen mehr Vitalität vorzutäuschen, als sein Körper hergab.
    Im Oktober 1864 stand die nächste Weihnachtsnummer ins Haus. Da der Quell seiner Fantasie nicht mehr so unerschöpflich sprudelte wie früher, fiel ihm jetzt nichts weiter ein, als noch einmal auf die populäre Mrs. Lirriper zurückzugreifen, und so schrieb er mit spürbarer Lustlosigkeit
Mrs Lirriper’s Legacy (Mrs. Lirripers Vermächtnis)
. Kaum hatte er diese Pflichtarbeit hinter sich, erreichte ihn die Nachricht, dass am 29. Oktober sein alter Freund John Leech nach kurzer Krankheit gestorben war. Zu Leech hatten er selber und seine ganze Familie ein herzliches Verhältnis. Deshalb traf ihn dieser Verlust eines weiteren engen Freundes besonders tief. Danach suchte er wiederholt Entspannung, wo er sie nach eigener Aussage am besten fand: in Frankreich; denn jedes Mal, wenn er von dort zurückkomme, fühle er sich «so frisch wie ein Gänseblümchen». Mittlerweile war die Auflage des laufenden Romans auf 28.000 gesunken, was aber durch eine neue Goldader kompensiert wurde, die Chapman & Hall mit dem Beginn der
People’s Edition
von Dickens’

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