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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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auf den Mordversuch hinweisen, so Jaspers langer Schal, mit dem Edwin vielleicht erwürgt wurde, und der Hinweis auf den Löschkalk, in dem sich selbst Knochen spurlos auflösen. Hier sollte – so scheint es – Rosas zurückgegebener Verlobungsring gefunden werden, den Edwin bei sich trug, von dem aber Jasper nichts wusste.
    Ein Schlüssel zur Lösung des Geheimnisses wäre die Antwort auf die Frage: Wer ist Dick Datchery? Da er ganz offensichtlich eine Perücke trägt, muss er wohl jemand sein, der sonst in Cloisterham erkannt würde. Aber wer? Ist es womöglich Edwin selber, wie manche vermuten? Was berechtigt überhaupt zu einem Zweifel an Edwins Tod? Dafür gibt es durchaus erzähltechnische Gründe. Wenn er wirklich von Jasper ermordet wurde, gäbe es um ihn kein «Geheimnis» mehr. Es ginge dann nur noch darum, den Mörder zu überführen. Ein weiteres Argument ist, dass Dickens in keinem seiner Romane einen Helden unter solchen Umständen sterben lässt. Edwin hatte sich von seiner «Erbschaft» bereits freigemacht und damit die Emanzipationsleistung vollbracht, um die es in den Romanen immer wieder geht. Sein Tod wäre in Dickens’ Werken das erste und einzige Beispiel einer krassen poetischen Ungerechtigkeit.
    Ein drittes Argument ist der humorvolle Grundton, der in den sechs Nummern vorherrscht. Er erinnert so sehr an die frühen Romane, dass die Kritiker dies als Rückkehr zu den charakteristischen Qualitäten des «Unnachahmlichen» besonders positiv vermerkten. Ist vorstellbar, dass Dickens in humoristischem Ton eine spannende Geschichte erzählt, in der ein unschuldiger Mensch heimtückisch ermordet wird? Diejenigen Zeitgenossen, die mit Dickens den engsten Kontakt hatten, seine Kinder und John Forster, bezeugen einhellig, dass Edwin wirklich ermordet wurde. Demgegenüber glaubten die frühen Leser, die die Nuss zu knacken versuchten, überwiegend daran, dass Edwin den Mordversuch überlebte. Schon kurz nach dem Erscheinen des Fragments gab es Versuche, den Roman in dieser Richtung zuEnde zu schreiben. Die Flut der Sekundärliteratur und der Fortsetzungsversuche ist bis heute nicht versiegt, ohne dass sich die Waage zur einen oder anderen Seite eindeutig gesenkt hat.
    Betrachtet man den unvollendeten Roman gegen den Hintergrund der vorangegangenen und richtet man dabei das Augenmerk auf die Symbolik, wird man sich zu der Vermutung gedrängt sehen, dass Edwin auf irgendeine Weise überlebt haben muss. Anderenfalls wäre hier zum ersten und einzigen Mal in Dickens’ Werken das typische Schema der Emanzipation von der Erbschaft bei gleichzeitiger Selbstbewahrung gegenüber dem Gefängnis und dem Wasser durchbrochen. In seinen späten Romanen hat Dickens mit einer fast penetranten Beharrlichkeit das Auferstehungsmotiv ins Spiel gebracht. Auch in diesem Roman nimmt er auf der vorletzten Seite, die er wenige Stunden vor seinem Tode niederschrieb, darauf Bezug. Er beschreibt dort einen strahlenden Morgen, der über den «Ruinen» von Cloisterham aufgeht und «die Auferstehung und das Leben predigt», wobei die beiden Substantive durch Großschreibung am Anfang noch besonderes Gewicht erhalten. Sollte das eine bewusst ausgelegte falsche Fährte sein?
    Eine andere Spur wird durch die Herkunft des verwaisten Zwillingspaars Neville und Helena Landless ausgelegt, die bei einem brutalen Stiefvater in Ceylon aufwuchsen und als Menschen von exotischer Schönheit mit einem Schuss von zigeunerhafter Wildheit beschrieben werden. Dieser Hintergrund zusammen mit anderen Indizien im Roman hat Kritiker vermuten lassen, dass es um einen Ritualmord geht, wie ihn die indische Bruderschaft der Thugs im Dienst der Göttin Kali beging. Die Thugs hatten allein in den Jahren 1831 bis 1837 3266 Morde begangen, galten danach aber als ausgelöscht. Hätte Dickens tatsächlich dies im Sinn gehabt, wäre der Roman noch viel weiter von seinem übrigen Werk entfernt.
    Ein anderer möglicher Schlüssel zum Fortgang der Handlung sind die Andeutungen, die auf eine Persönlichkeitsspaltung bei Jasper hinweisen. Als Opiumsüchtiger scheint er im Rausch ein anderer zu sein als in nüchternem Zustand. In diesem Fall wäre sein Charakterproblem die äußerste Zuspitzung von etwas, das in den früheren Romane schon öfter anklang. Gespaltene Persönlichkeiten waren schon Steerforth in
David Copperfield
, Sydney Carton in
Eine Geschichte zweier Städte
und in märchenhafter Form der Geizhals Scrooge im
Weihnachtslied.
WennDickens vorhatte, in

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