Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
Vom Netzwerk:
lieferte.
    Für Dickens’ Wissensdurst und seinen nicht minder starken Aufstiegswillen spricht, dass er einen Tag nach seinem achtzehnten Geburtstag, dem Mindestalter für die Erteilung einer Lesekarte für die Bibliothek des Britischen Museums, dieses Eintrittsbillett in die Welt der höheren Bildung erwarb und sich dort mit den Klassikern der englischen Literatur vertraut machte, soweit er sie nicht schon in Chatham gelesen hatte. Seine Biographen haben in detektivischer Kleinarbeit herausgefunden, welche Bücher er wann auslieh. Darunter befand sich im September 1830 auch eins, das sich unter dem Titel
Thoughts on the Times, but Chiefly on the Profligacy of Our Women (1776; Gedanken über unsere Zeit, doch vor allem über die Lasterhaf
t
igkeit unserer Frauen
) mit der weiblichen Sexualität befasste. Dickens las das Buch just zu der Zeit, als er sich zum erstenmal verliebte, ein Abenteuer, das drei Jahre währte und unerfüllt endete, was ihm beinahe das Herz brach.

Erste Liebe,
erster Ruhm
1829 bis 1835
    1830, vermutlich im Frühjahr, schlug in Dickens der Blitz der ersten Liebe ein, der in ihm einen solchen Gefühlssturm entfachte wie erst 37 Jahre später wieder die Begegnung mit Ellen Ternan, die zu der Zeit noch gar nicht geboren war. Die Frau, der seine Leidenschaft galt, war Maria Beadnell, jüngste Tochter eines wohlhabenden Bankiers. Sie war 13 Monate älter als er, sehr klein und sehr hübsch, mit dunklen Locken, dunklen Augen und einem kapriziös-koketten Naturell. Wann und bei welcher Gelegenheit er sie kennenlernte, ist unbekannt; doch vermutlich kam die Begegnung durch den befreundeten Henry Kolle zustande, der 1833 Maria Beadnells ältere Schwester Anne heiratete. Marias Eltern sahen die Werbung des noch mittellosen Journalisten um die Hand ihrer Tochter nicht gern und versuchten sie von Anfang an zu unterbinden. So hatte Dickens nur in größerer Gesellschaft Gelegenheit, die Angebetete zu sehen. Die meiste Zeit musste er ihr heimlich Briefe schreiben oder von gemeinsamen Bekannten Botschaften übermitteln lassen. Im Überschwang seiner Gefühle bestürmte er nicht nur Maria, sondern auch ihre Mutter mit Briefen, die die Aufrichtigkeit seiner Liebe bekunden sollten. Ob Maria Dickens’ Gefühle erwiderte oder sich nur von seiner leidenschaftlichen Werbung geschmeichelt fühlte, ist nicht genau zu erkennen. Jedenfalls hielt sie ihn an der Angel und ließ ihn zappeln, indem sie auf kühle Antworten immer wieder versteckte Ermutigungen folgen ließ.
    Das grausame Spiel zog sich über drei Jahre hin. Mehrmals stellte Dickens der Umworbenen eine Art Ultimatum und drohte ihr, seine Werbung zurückzuziehen, wenn sie sich nicht endlich erklärte. Doch zum endgültigen Bruch – oder eher zur finalen Resignation – scheintes erst im Sommer 1833 gekommen zu sein. Am 18. März schrieb er ihr einen Brief, in dem er mit dem Ausdruck tiefer Enttäuschung seinen Abschied erklärte, aber dennoch mit dem Satz schloss, nichts werde «ihm größere Freude bereiten als zu erfahren, dass das Objekt seiner ersten und letzten Liebe glücklich sei.» Danach folgten noch einige Briefe, aus denen eine wechselnde Mischung von Bitterkeit, Stolz und Selbstmitleid spricht. Dann, Ende Mai, scheint er sich endgültig in sein Schicksal gefügt zu haben.
    Dickens im Alter von 18 Jahren. Gemalt von seiner Tante Janet Barrow.
    So wie es für Dickens-Leser beinahe unmöglich ist, im Vater des Dichters nicht Mr. Micawber zu sehen, so ist es fast noch schwerer, Maria Beadnell von ihrer literarischen Verewigung als Dora Spenlow in
David Copperfield
zu trennen. Für heutige Leser ist die verwöhnte, zu ordentlicher Haushaltsführung unfähige Dora mit ihrem dunklen Lockenkopf, dem koketten Schmollmund und dem Schoßhündchen zwar kein interessanter Charakter, aber dank ihrer Vitalität genießbarer als die sanfte, pflichtbewusste Agnes Wickfield, die David nach ihrem Tode heiratet. Auch Maria tritt, wie Dickens’ Vater, ein zweites Mal in
Little Dorrit
auf, wo sie das Vorbild für Flora Finching wurde, die Jugendliebe des Helden, die diesem nach vielen Jahren als geschwätzigeWitwe wiederbegegnet. Der Auslöser dafür war Dickens’ eigene Wiederbegegnung mit Maria, die sich nach 22 Jahren mit einem Brief bei ihm gemeldet und damit die alten Gefühle in ihm neu aufgerührt hatte. Doch das mit klopfendem Herzen erwartete Wiedersehen endete mit einer tiefen Enttäuschung: Die mit dem Kaufmann Henry Winter verheiratete Matrone und

Weitere Kostenlose Bücher