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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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zu der Zeit in Italien aufhielt, die Villa Bagnerello nahe der Stadt im Dorf Albaro mieten lassen, in die er zunächst einzog. Das Haus bot eine prächtige Aussicht, war ansonsten aber wenig einladend. Dickens beklagte sich mit bitterem Humor über die Ratten im Keller und über die unzähligen Flöhe, die, «wenn man sie anschirren würde, seine Kutsche entführen könnten». Auch war das Haus im Winter kaum bewohnbar. Deshalb tauschte er die ländliche Idylle Ende September gegen den Palazzo Peschiere in der Altstadt von Genua.
    Die ersten Wochen in Italien verbrachte er mit ungewohntem Müßiggang.Er ging täglich schwimmen, las Manzonis
I promessi sposi
und wartete währenddessen auf die Ankunft seines Schreibpults mit dem nötigen Zubehör. Zwischendurch reiste er noch einmal zu Schiff nach Marseille, um dort seinen Bruder Alfred abzuholen, der bei ihm seinen Urlaub verbringen wollte. Auf dem Rückweg nahm er ab Nizza den Landweg entlang der Felsenküste, um die malerischen Städtchen, die er bereits vom Schiff aus bewundert hatte, auch einmal von innen zu sehen. Nachdem er in Genua alle Sehenswürdigkeiten besichtigt und das pittoreske Stadtleben ausgiebig genossen hatte, unternahm er weitere Ausflüge in die nähere Umgebung. Inzwischen hatte er auch wieder ein literarisches Projekt in Arbeit. Nach dem
Christmas Carol
im Jahr zuvor erwartete sein neuer Verleger von ihm für das bevorstehende Fest ebenfalls ein Weihnachtsbuch. Lag schon in der ersten Erzählung der Akzent auf der sozialen Anklage gegen die Hartherzigkeit der Reichen gegenüber den Armen, so wollte Dickens jetzt noch härter zuschlagen. Unter dem Titel
The Chimes (Die Glocken)
schrieb er eine Erzählung, in der die Darstellung von sozialer Ungerechtigkeit kaum Weihnachtsstimmung aufkommen lässt. Am 3. November war die Erzählung fertig. Bei ihrer Niederschrift hatte sich Dickens so stark emotional engagiert, dass er nach dem Abschluss heftig weinen musste.
    Wie schon bei den früheren Werken packte ihn auch diesmal nach der Fertigstellung die alte Ruhelosigkeit. Er beschloss, die Veröffentlichung der Erzählung in London vor Ort selber zu überwachen. Auf dem Wege dorthin wollte er sich aber erst einmal die sehenswertesten Städte Norditaliens ansehen. So brach er, in Begleitung seines treuen Louis Roche, am 6. November zu einer zweiwöchigen Besichtigungsreise nach Parma, Modena, Bologna, Ferrara und Venedig auf. Während er die vier erstgenannten Städte in seinem Reisebericht realistisch beschreibt, gibt er seine Eindrücke von Venedig als eine Traumvision wieder. Die Stadt muss ihn tief beeindruckt haben. Die Beschreibung erinnert sehr an die obsessiven Bilder seiner Romane. So imaginiert er eine Stadt, in die von allen Seiten das Meer eindringt, während im Zentrum aus dem Wasser das Gefängnis herausragt. Das ist die Konfrontation der beiden Symbolkomplexe, von denen so oft schon die Rede war. Von Venedig ging es weiter über Verona, Mantua und Cremona nach Mailand, dann im Schnee über den Simplon und weiterüber Straßburg nach Paris. Am 30. November kam er in London an. Schon am Tag darauf las er die neue Erzählung seinem Freund Macready vor. Zwei Tage später las er sie noch einmal vor einem Kreis von Freunden, die Forster zusammengetrommelt hatte. Die Skizze, die Maclise von dieser Lesung zeichnete, zeigt Dickens mit einer Art Heiligenschein, umgeben von andächtig lauschenden Jüngern – wohl eine ironische Anspielung auf Leonardos Abendmahl. Am 9. Dezember war er bereits wieder in Paris; und in Genua traf er rechtzeitig ein, um Weihnachten mit der Familie feiern zu können.
    Dickens liest
The Chimes
. Zeichnung von Maclise (1844).
    Hier braute sich eine familiäre Störung zusammen. Dickens hatte in der Stadt den Schweizer Bankier de la Rue kennengelernt, dessen englische Frau an einer schweren hysterischen Störung litt, die sich in Visionen und Krampfanfällen äußerte. Er erbot sich, ihr Leiden durch Hypnose, wenn nicht zu heilen, so wenigstens zu lindern. Das Verfahren, das er dabei anwandte, mutet wie eine Vorwegnahme der Freudschen Psychoanalyse an; denn er begnügte sich nicht damit, die Frau in Trance zu versetzen, er befragte sie in diesem Zustand auch und versuchte so, die Ursachen ihrer Ängste zu ergründen. Seine Bemühungen um Mrs. de la Rue nahmen so intensive Formen an, dass seine Fraueifersüchtig wurde und ihm Szenen machte. Um des Ehefriedens willen gab er die Behandlung schließlich widerwillig auf.
    Am

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