Charles Dickens
D’Orsay Tennyson erhielt, aber erst im folgenden April förmlich getauft wurde. Zwei gegensätzlichere Patenhätten sich kaum finden lassen: der viktorianisch-dezente Dichter Tennyson, der später zum Lord geadelt wurde, und der schillernde Count D’Orsay, der mit Tennyson nur den Vornamen Alfred gemein hatte.
Auf eine andere private Begebenheit aus dieser Zeit weist Michael Slater in seiner Biographie hin. Als Dickens’ 18-jähriger Bruder Augustus, das Sorgenkind der Familie, im Begriff war, eine nicht standesgemäße Verbindung einzugehen, schrieb Thomas Powell, der Augustus eine Anstellung vermittelt hatte, Dickens einen Brief, in dem er ihm nahelegte, die Mesalliance zu verhindern. Doch Dickens lehnte ab mit dem Verweis darauf, dass auch er mit seinen Liebesangelegenheiten selber fertig geworden sei und wohl eher eine Dummheit begangen hätte, wenn andere sich eingemischt hätten. Dabei spielte er auf seine Werbung um Maria Beadnell an, die sich in seiner Erinnerung jetzt von drei tatsächlichen Leidensjahren auf sechs bis sieben ausdehnte.
Rechtzeitig zum Fest, wenn auch unter hohem Zeitdruck geschrieben, erschien am 20. Dezember Dickens’ dritte Weihnachtserzählung,
The Cricket on the Hearth: a Fairy Tale of Home (Das Heimchen am Herde. Ein Märchen vom Heim)
. Das Buch verkaufte sich gut und brachte ihm schon mit den ersten beiden Auflagen 1022 Pfund ein. Gleichzeitig mit der Buchpremiere erfolgte im Lyceum-Theater die Aufführung einer von Dickens autorisierten Dramenfassung, die über 60 Wiederholungen erlebte.
Das Heimchen am Herde
Nach der moralischen Fabel des
Weihnachtslieds
und der sozialen Anklage der
Glocken
verzichtet Dickens in seiner dritten Weihnachtsgeschichte ganz auf eine direkte Botschaft und erzählt statt dessen in der Form einer rührenden, um nicht zu sagen rührseligen Komödie das Drama einer Ehekrise, die unter dem Schutz der als Hausgott fungierenden Grille ein gutes Ende findet. Die Erzählung beginnt mit einem virtuosen Beispiel Dickensscher Sprachkomik. Über mehrere Seiten hinweg wird ein quasi-musikalisches Duett wiedergegeben, das ein Teekessel auf dem Herd und das Heimchen dahinter mit- und gegeneinander bestreiten und dessen Prosa zuletzt in kunstvoll gereimte Verse übergeht. Es gibt in Dickens’ Gesamtwerk kaum einen Text, indem er seiner sprachlichen Spielfreude so sehr die Zügel schießen lässt wie hier.
Im Mittelpunkt der Handlung steht das ungleiche Ehepaar Peerybingle kurz vor ihrem ersten Hochzeitstag. Die klein gewachsene Mary, von ihrem Mann
Dot
, ‹Pünktchen›, genannt, ist halb so alt wie er, von rosig-draller Schönheit und stolze Mutter eines drei Monate alten Babys. John ist ein großer, vierschrötiger, aber durch und durch gutmütiger Fuhrmann, der mit einem uralten Pferd Pakete ausliefert. An dem Abend, mit dem die Erzählung beginnt, kommt er von einer Tour zurück und bringt einen weißhaarigen, scheinbar schwerhörigen Fremden mit, der bei ihm gegen Bezahlung um Unterkunft für die Nacht bittet. Dann taucht der Puppenmacher Caleb Plummer auf, um ein für ihn bestimmtes Päckchen abzuholen. Caleb ist ein kleiner, von Mühsal gezeichneter Mann, der mit seiner blinden Tochter Bertha in einer armseligen Behausung lebt, die er seiner Tochter als gemütliches Heim beschreibt. Auch seinen ungehobelten, auf den Gefühlen anderer Menschen herumtrampelnden Arbeitgeber Tackleton beschreibt er ihr als einen Wohltäter, den sie deshalb verehrt.
Tackleton betreibt eine Spielzeugmanufaktur, obwohl er weder Kinder noch Spielzeug mag und immer bestrebt ist, den von Caleb hergestellten Puppen eine häßliche Fratze aufzusetzen. Für Tackleton, der als nächster auftritt, hat John eine Hochzeitstorte mitgebracht, dader Grobian die Absicht hat, die schöne, aber mittellose May zu heiraten, die von ihrer Mutter zu einer so vorteilhaften Ehe gedrängt wurde. May war seit früher Jugend Calebs Sohn Edmund versprochen, der in Südamerika sein Glück machen wollte, aber schon seit Jahren verschollen ist. Tackleton bittet John und Dot, mit seiner Braut an einem Picknick teilnehmen zu dürfen, das die beiden regelmäßig mit Caleb und seiner blinden Tochter veranstalten und an dem diesmal auch der weißhaarige Logiergast teilnehmen wird. Der angehende Bräutigam verspricht sich davon, dass seine junge Braut angesichts des mustergültigen Eheglücks der Peerybingles der Ehe mit einem alten Mann weniger bedrückt entgegensehen wird. Während des Picknicks wird
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