Charles Dickens
um die Zeitschrift und die Herrichtung des neuen Heims aus nächster Nähe zu überwachen.
Daneben gingen ihm aber schon Pläne für einen neuen Roman durch den Kopf. Die ersten Andeutungen dazu hatte er bereits am 21. Februar in einem Brief an Mary Boyle gemacht. Doch die beiden Todesfälle und die Haussuche hatten das Projekt so weit in den Hintergrund gedrängt, dass erst am 17. August in einem Brief an Miss Burdett-Coutts ein weiterer Hinweis auftaucht. Am 7. Oktober schrieb er an Austin, dass ihm der neue Roman im Kopf «herumwirble» und dass er es «dringend nötig habe mit dem Schreiben zu beginnen». Doch vorher musste er noch mit seiner Truppe eine Reihe von Theateraufführungen außerhalb Londons zum Wohle der Künstlergilde absolvieren. Am 10. November brach er deshalb zu einer viertägigen Tour nach Bath und Bristol auf, während seine Frau, die im siebenten Monat schwangerwar, den Umzug ins neue Haus organisierte. Nach seiner Rückkehr schrieb er an Miss Burdett-Coutts: «Die Ordnung ist wieder hergestellt.»
Am 21. November 1851 gab Dickens seinem Verleger den Auftrag, den neuen Roman für den folgenden März anzukündigen. Als Titel hatte sich bei ihm nach zahlreichen längeren Varianten der kurze Name
Bleak House
herauskristallisiert. Dass es darin um das Kanzleigericht gehen sollte, stand offenbar von Anfang an fest; denn bereits im Dezember des Vorjahres hatte er sich von seinem Freund Wills Unterlagen über Prozesse an diesem Gericht besorgen lassen. Der neue Roman sollte nicht nur sein längster werden, er wich auch so sehr von der linearen Struktur der Vorgänger ab, dass er von Dickens ein Höchstmaß an konzentrierter Vorarbeit erforderte. Das erklärt die ungewöhnliche Sesshaftigkeit, die er sich bis zum Erscheinen des ersten Heftes auferlegte. Bereits am 7. Dezember meldete er seinem Verleger, dass die Nummer so gut wie fertig sei. Danach reichte seine Zeit noch, um die Weihnachtsausgabe seiner Zeitschrift vorzubereiten, zu der er einen Artikel unter dem Titel
What Christmas Is, as we Grow Older (Was Weihnachten bedeutet, wenn wir älter werden)
beisteuerte.
Dann folgten weitere Theateraufführungen, die letzte des Jahres am 23. Dezember, während er die nächsten bereits für den Februar plante. Gemessen an dem enormen Aufwand und der Zahl der Beteiligten erscheint der Ertrag dieses Wohltätigkeitsunternehmens eher bescheiden. Im ersten Jahr wurden nur 3615 Pfund eingenommen. Der Gilde ging es vor allem um die Einführung eines obligatorischen Sozialversicherungssystems für Künstler. Doch dabei fand sie wenig Unterstützung bei den erfolgreicheren Autoren. Auch rechtliche Vorschriften standen den Aktivitäten der Gilde entgegen. Dennoch kämpfte Dickens bis zu seinem Tode für das Unternehmen. Immerhin konnte die Gilde später einige Erfolge verbuchen, darunter 1865 den Bau von Gilde-Häusern in Stevenage, die als Altersheime für mittellose Künstler gedacht waren.
Das Jahr 1852 begann für Dickens so arbeitsreich, wie das alte endete. Er hatte sich seit längerem ein rigides Arbeitskorsett angelegt. Die Stunden von 10 bis 14 Uhr verbrachte er am Schreibtisch, der Dienstag war für Urania Cottage reserviert, am Mittwochnachmittag und am Donnerstag arbeitete er für
Household Words
. Aus dieser Routine wurde er aber immer wieder durch seine Theaterunternehmungen herausgerissen.So standen allein für 1852 drei weitere Tourneen durch Mittel- und Nordengland ins Haus. Die erste führte im Februar nach Manchester und Liverpool. In Briefen an Forster und Bulwer-Lytton berichtet er von glänzenden Erfolgen.
Wenig später folgte ein persönlicher Triumph. Am 28. Februar erschien die erste Nummer von
Bleak House
, von der schon in den ersten drei Tagen 25.000 Exemplare verkauft wurden. Das Echo der Kritiker war äußerst positiv, so dass die Auflage auf über 35.000 stieg. Der geschäftstüchtige Dichter fand sogar eine weitere Einnahmequelle, indem er mit dem amerikanischen Verlag Harper & Brothers einen Vertrag über die Vorablieferung der Druckfahnen gegen ein Honorar von 360 Pfund pro Lieferung abschloss, was ihm ein zusätzliches Honorar von 2860 Pfund einbrachte. Dafür lohnte es sich schon, den eigenen Schwur, mit dem amerikanischen Buchmarkt nichts mehr zu tun haben zu wollen, zu brechen. Doch die Alternative wäre gewesen, dass amerikanische Verleger das Buch dann einfach etwas später raubkopiert hätten, da es noch immer kein Copyright-Abkommen gab.
Zwei Wochen nach
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