Charlie Chan macht weiter
Großartige Nachrichten, das über Duff. In heiterer Stimmung ging er an Deck. Als erstes traf er Pamela Potter, die – begleitet von Mark Kennaway – einen Morgenspaziergang machte. Das Mädchen blieb stehen und starrte ihn an.
»Mr. Chan!« rief sie aus. »Was machen Sie denn hier?«
Charlie gelang es, sich tief und schwungvoll zu verneigen. »Ich erfreue mich an einem wunderschönen Morgen. Danke. Wie es scheint, tun Sie dasselbe.«
»Ich hatte keine Ahnung, daß Sie mit uns kommen würden.«
»Hatte selbst keine Ahnung – bis spät gestern abend. Sehen in mir ziemlich unwürdigen Ersatz für Inspector Duff.«
»Er – Sie wollen doch nicht damit sagen, daß er auch…«
»Keine Angst – wurde nur verwundet.« Und rasch berichtete er, was passiert war.
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Es scheint kein Ende zu geben.«
»Was anfängt, muß auch enden«, erklärte ihr Chan.
»Bösewicht ist in diesem Fall clever genug, um hinter dem Rücken Geige zu spielen, aber selbst die Cleversten machen Fehler. Ich glaube, ich habe diesen jungen Mann gestern an Deck gesehen. Sein Name…«
»Oh, tut mir leid, ich war so überrascht, Sie zu sehen. Inspector Chan – das hier ist Mr. Kennaway. Ich habe ihm gerade erzählt, was für einen wundervollen Abend er gestern versäumt hat. Er ist ganz niedergeschlagen. Sie müssen wissen, er gehört zu meiner Familie in Boston, daß er es nicht gewohnt ist, ausgeschlossen zu werden.«
»Unsinn!« sagte Kennaway.
»Er wäre sehr willkommen gewesen«, bemerkte Charlie und wandte sich an den jungen Mann. »Habe selber großes Interesse an Boston. Irgendwann müssen wir uns darüber unterhalten. Doch jetzt will ich nicht länger Ihre Wanderung stören. Da ich gestern der ganzen Gruppe mit vollem Namen und Dienstgrad vorgestellt wurde, schlage ich vor, daß wir uns alle alsbald zu kleinem Gespräch über gestern abend treffen.«
»Dieselbe alte Story«, murmelte Kennaway. »Seit Beginn dieser Reise sind wir immer wieder von Polizisten zusammengetrommelt worden. Na schön – Sie bringen wenigstens ein neues Gesicht mit, das ist schon was. Viel Glück, Inspector Chan!«
»Danke vielmals. Werde mein Bestes tun. Ich bin durch die Hintertür gekommen, aber bin durch altes Sprichwort ermutigt, das besagt, die Schildkröte, die das Haus durch die Hinterpforte betritt, landet schließlich am Kopfende des Tisches.«
»Ja, in der Suppe«, erinnerte ihn Kennaway.
Chan lachte. »Alte Sprichwörter dürfen nicht zu wörtlich genommen werden. Pardon, werde jetzt Kochkunst dieses Schiffes ausprobieren. Zu etwas späterer Stunde werde ich Ihre Gesellschaft ausgiebiger auskosten.«
Er spazierte in den Speisesalon, wo man ihm einen schönen Tisch zuwies. Nach einem herzhaften Frühstück wollte er den Salon gerade verlassen, da sah er, nicht weit von der Tür entfernt, Dr. Lofton sitzen. Er blieb stehen.
»Ah – Doktor, vielleicht erweisen Sie mir die Ehre und erinnern sich an mein Gesicht?«
Lofton blickte auf. Nur wenige Menschen konnten Charlie ansehen, ohne freundlich zu lächeln, aber der Doktor schaffte es. Seine Miene wirkte sogar ziemlich sauer.
»Ja, ich erinnere mich an Sie«, erwiderte er. »Von der Polizei, glaube ich?«
»Ich bin Kriminalinspektor und gehöre der Polizei von Honolulu an. Darf ich mich setzen, bitte?«
»Meinetwegen«, brummte Lofton. »Aber verübeln Sie es mir nicht, wenn meine Gefühle nicht zu herzlich sind. Ich habe die Nase ein bißchen voll von Kriminalbeamten. Wo steckt denn Ihr Freund Duff heute morgen?«
Charlie zog die Brauen in die Höhe. »Sie haben nicht gehört, was Inspector Duff zugestoßen ist?«
»Natürlich nicht«, schnaubte Lofton. »Ich habe zwölf Personen, um die ich mich kümmern muß, und ich kann Ihnen versichern, sie halten mich auf Trab. Da kann ich mich nicht auch noch mit jedem Polizeibeamten abgeben, der hinter mir herläuft. Was ist ihm denn zugestoßen? Kommen Sie, Mann – sprechen Sie schon!
Erzählen Sie mir bloß nicht, daß er auch umgebracht worden ist.«
»Nicht ganz«, antwortete Charlie sanft.
Er erzählte seine Geschichte, während seine kleinen, schwarzen Augen Loftons Gesicht fixierten, und war erstaunt, daß sich weder Bestürzung noch Mitleid in diesem bärtigen Gesicht spiegelten.
»Nun, das ist Duffs Ende – soweit es diese Tour betrifft«, bemerkte der Doktor trocken. »Und was jetzt?«
»Jetzt ersetze ich den armen Duff.« Lofton starrte ihn an. »Sie?«
»Warum nicht?« fragte Charlie
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