Charlie Chan macht weiter
aus.
»Ah – nett von Ihnen, auf Wiedersehen zu sagen«, bemerkte Chan.
»Nichts dergleichen. Habe wichtige Information, Charlie«, verkündete er.
»Tatsächlich?« fragte Chan höflich. »Was für eine denn, Kashimo?«
»Spazierte am Ende der Gasse entlang, bald nachdem Schuß, der Ihren ehrenwerten Freund verletzt hat, abgefeuert wurde«, fuhr der Japaner atemlos fort.
»Und ich sah Mann aus der dunklen Gasse kommen und auf erleuchtete Straße hinaustreten. Einen großen Mann, in einen riesigen Mantel eingehüllt, den Hut über die Augen gezogen.«
»Dann haben Sie sein Gesicht nicht gesehen?« fragte Charlie.
»Was macht das schon? Gesicht nicht notwendig. Sah etwas Besseres. Der Mann hinkt – etwa so…« Und mit großem schauspielerischem Aufwand imitierte er den Gang eines Hinkenden. »Er hatte einen Spazierstock, hell, vielleicht ein Malakkastöckchen.«
»Ich bin sehr dankbar«, sagte Charlie in einem Ton, als ob er mit seinem jüngsten Sprößling sprechen würde. »Sie sind aufmerksam, Kashimo. Sie lernen schnell.«
»Vielleicht bin ich eines Tages auch ein guter Detektiv«, entgegnete Kashimo hoffnungsvoll.
»Wer kann das schon wissen?«
Eine Lautsprecherstimme gemahnte, daß alle Passagiere sich nun an Bord begeben sollten. Charlie wandte sich noch einmal seiner Frau zu, und im gleichen Moment bestürmte Kashimo seinen Chef mit einem großen Wortschwall. Kern seiner Rede schien die Bitte zu sein, als Chans Assistent nach San Francisco geschickt zu werden.
»Ich bin ein sehr guter… Ich kann sehr gut suchen. Das hat Charlie selbst gesagt.«
»Wie steht’s, Charlie?« Der Chef grinste. »Können Sie ihn brauchen?«
Chan zögerte eine Sekunde, dann ging er zu dem kleinen Mann und klopfte ihm auf eine Schulter. »Schauen Sie, Kashimo, Sie haben Situation nicht richtig eingeschätzt. Sollten wir beide – Sie und ich – im gleichen Moment von Honolulu abwesend sein? Was für eine Gelegenheit für die Übeltäter! Eine Welle von Verbrechen könnte Insel überschwemmen, sie fast ausradieren. Gehen Sie jetzt und seien Sie ein guter Junge, während ich weg bin. Und vergessen Sie nie: Wir lernen durch unsere Fehler.«
Kashimo nickte, schüttelte ringsum Hände und verschwand.
Charlie wandte sich seinem Sohn zu. »Bitte, sorge dafür, daß mein Wagen sofort zur Garage auf dem Punchbowl Hill gebracht wird! In meiner Abwesenheit wirst du deiner Mutter alle Hochachtung erweisen und gesamt Familie gut behüten.«
»Bestimmt«, versprach Henry. »Doch sag, Vater, kann ich, bis du zurückkommst, deine Kiste benutzen? Mit der alten Karre, die ich von dir geerbt habe, stimmt was nicht.«
Chan nickte. »Habe Frage vorhergesehen. Ja, du kannst meinen Wagen benutzen, aber behandle ihn, bitte, mit ungewohnter Freundlichkeit. Auf Wiedersehen, Henry!«
Er sagte noch ein paar letzte Worte zu seiner Frau, küßte sie und führte sie zur Gangway.
»Viel Glück, Charlie!« sagte sein Chef und ging ebenfalls.
Eine Kette klirrte in der Stille der Nacht, und die Gangway wurde entfernt, Chan unwiderruflich von der Gruppe auf dem Pier trennend. Sie blickten zu ihm auf, und ihre Haltung drückte Vertrauen in ihn und seinen letztendlichen Erfolg aus; ein Vertrauen, das er nicht mit ihnen teilte.
Langsam stieß der große Dampfer zurück und hinaus in die Strommitte. Kein Orchester spielte Aloha, und zwischen dem Schiff und der Küste flatterten keine bunten Bänder, wie es sonst üblich war, wenn Boote von den Inseln an- und ablegten. Die kleine Gruppe auf der Pier entschwand schließlich seinen Blicken, doch er verließ seinen Posten an der Reling noch nicht. Das Stampfen der Maschinen wurde deutlicher hörbar. Bald darauf sah Chan den Lichtkreis, der Waikiki Beach kennzeichnete. Wie viele Nächte hatte er schon auf seiner Veranda gesessen und über die Stadt hinweg auf diesen Strand geblickt, mit dem vagen Wunsch, es möge sich etwas tun. Und nun hatte sich etwas getan.
Chan drehte sich um und betrachtete die riesigen Umrisse des Liners. Er befand sich jetzt in einer sehr kleinen Welt und darin war mit ihm ein Mann, der in London aus Irrtum getötet hatte, in Nizza und San Remo mit grimmiger Absicht und dann noch einmal in Yokohama, diesmal zweifellos aus Notwendigkeit. Ein grausamer Mann, der erst heute abend versucht hatte, den unbarmherzigen Duff von seiner Fährte abzubringen. Sechs Tage lang würden Chan und er jetzt auf engstem Raum Zusammensein, Gefangene dieser prächtigen Konstruktion aus Stahl und
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