Charlie Chan macht weiter
daran erinnert hatte, daß mein Stock kein Geräusch verursachte.«
Keiner sagte etwas. Da tauchte Mrs. Luce in der Tür auf. Sie steuerte rasch auf Chan zu. Der Detektiv sprang auf.
»Was habe ich da gehört?« rief sie aus. »Der arme Inspector Duff!«
»Nicht schlimm verletzt«, versicherte ihr Chan. »Auf dem Wege der Besserung.«
»Dem Himmel sei Dank! Der Arm des Mörders wird langsam schwach. Nun, zu viel Ballerei ist für jeden schlecht. Ich nehme an, daß Sie Inspector Duffs Platz eingenommen haben, Mr. Chan?«
»Bin unwürdiger Ersatzmann.« Er verneigte sich.
»Unsinn! Das können Sie mir nicht weismachen. Habe fast mein ganzes Leben lang Chinesen gekannt – habe unter ihnen gelebt. Endlich tut sich was.« Sie blickte sich kriegerisch im Kreis um. »Und es wird Zeit, wenn Sie mich fragen.«
»Sie kommen in gutem Moment«, sagte Charlie. »Bitte höflichst um Ihre Zeugenaussage. Nachdem ich Sie gestern abend am Pier abgesetzt hatte, haben Sie und Pamela in Nähe der Gangway noch an Deck gesessen. Und Sie sahen einige Mitglieder der Gesellschaft aufs Schiff zurückkehren. Darunter auch Mr. Ross hier?«
Die alte Lady starrte Ross einen Moment lang an, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Chan war überrascht. »Sie wissen nicht, ob Sie Mr. Ross sahen oder nicht?«
»Nein, ich weiß es nicht.«
»Aber meine Liebe«, mischte Miß Pamela sich ein, »sicher erinnern Sie sich doch noch? Wir saßen nicht weit von der Reling entfernt, und Mr. Ross kam die Gangway hoch und an uns vorbei.«
Wieder schüttelte Mrs. Luce den Kopf. »Ja – ein Mann mit einem Stock, der hinkte, kam an uns vorbei. Ich sprach ihn an, aber er antwortete mir nicht. Mr. Ross ist ein höflicher Mensch. Außerdem…«
»Ja?«
»Außerdem trägt Mr. Ross seinen Stock in der linken Hand, während der Mann von gestern nacht ihn in der rechten trug. Deshalb sage ich auch, ich wüßte nicht, ob es Mr. Ross war oder nicht. Mein Gefühl in jenem Moment sagte mir, er war es nicht.«
Stille folgte. Schließlich blickte Ross zu Charlie auf.
»Was habe ich Ihnen gesagt, Inspector? Ich habe das Schiff gestern abend nicht verlassen. Allerdings hatte ich nicht geglaubt, daß der Beweis so rasch erbracht werden würde.«
»Ihr rechtes Bein ist verletzt?« fragte Chan.
»Ja. Und jeder normale Mensch denkt wahrscheinlich, daß ich meinen Stock natürlich in der rechten Hand trage. Doch wie mein Arzt mir nahelegte, ist die linke besser für mich. Dadurch ist das Gleichgewicht ausbalanciert, und ich kann schneller gehen.«
»Das ist richtig, Offleer«, warf Maxy Minchin ein. »Vor ein paar Jahren hat mir ein alter Kumpel eins in die linke Wade verpaßt. Hab damals herausgefunden, daß man den Stock genau auf der anderen Seite tragen muß. So hat man mehr Halt – kapiert?«
Ross lächelte. »Danke, Mr. Minchin.« Er blickte Chan an. »Diese cleveren Burschen machen immer irgendwo einen Fehler, stimmt’s? Zwar war er klug genug, mir die Gummikappe zu stehlen, aber er hat sich nicht gemerkt, in welcher Hand ich meinen Stock trage.« Seine Blicke wanderten fragend von einem zum anderen.
Charlie erhob sich. »Zusammenkunft wird vertagt. Ich bin sehr dankbar für liebenswerte Zusammenarbeit.« Sie verließen nacheinander den Raum, bis Tait mit dem Inspector allein blieb. Mit einem grimmigen Lächeln spazierte er zu Chan hinüber.
»Das hat Ihnen nicht viel gebracht«, bemerkte er.
»Glauben Sie?« fragte Chan.
»Ja. Aber Sie haben Ihr Bestes versucht und zumindest in einem Punkt ungewöhnlichen Scharfsinn bewiesen. Ich spiele auf die Uhr an.«
»Ah, ja – die Uhr!«
»Ein Mann, der sein Leben lang daran gewöhnt war, in seiner Westentasche eine Uhr zu tragen, und dann auf eine Armbanduhr umsteigt, faßt automatisch erst an die alte Stelle, wenn er plötzlich nach der Zeit gefragt wird.«
»Habe es bemerkt«, gab der Inspector zu.
»Habe ich mir gedacht. Was für ein Jammer, daß Sie das Experiment mit einem Unschuldigen veranstalteten!«
»Werden noch mehr Experimente folgen«, versicherte Chan.
»Das hoffe ich. Ich könnte Ihnen erzählen, daß ich mir kurz vor dieser Tour eine Armbanduhr kaufte.«
»Kör dieser Tour?« wiederholte Chan und betonte das erste Wort leicht.
»Genau. Ich kann das durch Mr. Kennaway beweisen.«
»Im Augenblick reicht mir Ihr Wort.«
»Danke. Ich hoffe, ich bin zugegen, wenn Sie Ihre anderen Experimente vom Stapel lassen.«
»Keine Sorge – Sie sind ziemlich sicher dabei.«
»Gut.
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