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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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melierten Sonnenuntergang, der ein Gefühl der Melancholie weckte, das mir nicht unbekannt war.
    Schließlich durchschritten wir den Mittelpunkt des Raumes. Dabei leuchteten die Glas- und Metallstücke des Mosaiks in einem bleichen, kühlen Licht auf, welches alles andere in Schatten versinken ließ und von jeder Oberfläche wie eine Million ferner Sterne reflektiert wurde. Wir waren in unserem eigenen, privaten Universum verschwunden, einer einzigartigen Nocturne, die nicht enden würde, solange wir im Zentrum der Eingangshalle verharrten. Für einen Augenblick lang war ich mit mir vollkommen im Reinen und bewunderte die Macht der wahren Stille, denn jeder Laut war ausgelöscht worden. Doch der Junge zog uns weiter, und wir schritten durch die andere Hälfte des Raumes; hinein in die Dämmerung, in das Morgengrauen, und schließlich wieder in die wirkliche Leere des Ortes.
    Es war ein wundersames Haus. Und so dürftig diese Beschreibung auch sein mag, ich finde keine andere, die meiner Meinung über das Darkling-Haus gerecht würde. Das kleine silberne Kruzifix an meinem Hals beruhigte mich nun noch weniger als zuvor.
    Der Junge in der schwarzen Weste führte uns durch das Haus, ohne innezuhalten. Ich hätte mir Sorgen gemacht, mich in einem Haus mit so vielen gewundenen Korridoren zu verirren. Doch da ich von zwei Buben vorangezerrt wurde, die gegenwärtig mehr mit Bluthunden gemein hatten als mit den wohl erzogenen jungen Männern, die aus ihnen zu formen ich bemüht war, versuchte ich, unbekümmert zu bleiben.
    Wir wurden einen hohen, mit Spiegeln behangenen Gang im flackernden Gaslicht entlanggeführt, vorbei an ovalen, mit silbernen Gittern versehenen Fenstern und mehreren schweren Eichentüren. Die Tür am Ende stand offen. Eine runde Wand aus groben Steinplatten war jenseits der Schwelle zu erkennen. Er führte uns hinein.
    »Kinder?« Lily Darrow erhob sich aus einem vornehmen grünen Ledersessel in der Mitte einer großartigen Bibliothek. Der Raum war vollkommen rund und vier Stockwerke hoch. Jeder anschließende Ring von Bücherregalen war kleiner als der davor. Sie reichten bis in eine Glaskuppel, jenseits derer der Mond unheilvoll zwischen den Wolken schien. Ein reich verzierter Übergang führte vom vierten Stockwerk zu einer geschlossenen Tür. Mrs. Darrow breitete die Arme aus, und die Buben eilten zu ihr. Sie küsste Paul auf die Stirn.
    »Du bist zu mir zurückgekommen   … nach so langer Zeit.« Ihr Blick glitt ins Leere, bis Paul seine Hand auf ihre Schulter legte.
    »Aber Mutter, wir waren doch erst vor ein paar Tagen bei dir.«
    »Ja, natürlich. Die Zeit vergeht hier anders. Tage und Jahre sind so schwer auseinanderzuhalten   …« Sie schüttelte den Gedanken ab. »Ich sehe, ihr habt Duncan kennengelernt?«
    Sie deutete auf unseren jungen Führer. Hier drinnen konnte ich jetzt auch klar erkennen, dass die Bleiche seiner Haut kein Trick des Lichtes im Obstgarten gewesen war. Sein Teint war in der Tat von einem leichten Orangeton. Der Junge verbeugte sich und winkte uns zu, als er verschwand. »Er dient dem Hausherrn. Gute Diener sind schwer zu finden, deshalb züchtet Mr. Whatley seine eigenen.« Ich dachte sofort an die Frucht im Obstgarten.
    »Dieser Mr. Whatley züchtet Menschen ?«
    »Duncan ist keine Person. Wenigstens noch nicht. Eines Tages vielleicht.« Sie holte Luft und lächelte und schien wieder mehrsie selbst zu werden. »Wir haben viel zu tun. Ich nehme an, dass ihr hier übernachtet?« Sie blickte erwartungsvoll in meine Richtung, und ich presste meine Lippen zu einem ausdruckslosen Lächeln zusammen.
    »Ich fürchte, wir haben keine Kleidung zum Wechseln mitgebracht.«
    »Natürlich habt ihr das nicht. Es würde nur Verdacht erregen.«
    »Das würde es auch, wenn wir nicht rechtzeitig wieder zurück sind.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Während hier ein ganzer Tag vergeht, ist es für die Menschen in Blackfield nur eine Minute.« Ich nehme an, das sollte mich beruhigen, aber es weckte nur ein Gefühl des Bedauerns für Mrs. Darrow. Denn wenn es stimmte, was sie sagte, dann musste unser letzter Besuch für sie vor Jahren stattgefunden haben. Sie sah nicht anders aus als zuvor, aber es war wohl nicht zu erwarten, dass die Toten alterten. Sie war schön, Achtung gebietend, aber ich meinte auch eine verborgene Zerbrechlichkeit in ihr zu erkennen, so als drohte die Last ihres Daseins sie zu erdrücken.
    Paul und James blickten zu mir und dann wieder zu ihrer Mutter. Sie

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