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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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worum es bei dem Auftrag geht?«
    »Er hat damit angefangen, ist aber mitten im Satz stecken geblieben.«
    Kuitert konnte daran nichts Witziges finden. »Ich schicke Ihnen eine Mail. Haben Sie von dem Mord an dem Hotelbesitzer in Culemborg gehört? Otto Runing?«
    Hinter der Glasschiebetür streckte ein kleines Mädchen die Ärmchen nach einem großen Mädchen aus.
    »Am Rande. Sitzt der mutmaßliche Täter nicht schon in Untersuchungshaft?«
    »Es geht nicht um den Mord. Die Witwe ist im Zusammenhang mit einer Erbschaftsangelegenheit an uns herangetreten. Ihre Telefonnummer steht in der Mail. Sie möchte, dass Sie so rasch wie möglich mit ihr Kontakt aufnehmen. Das Forfeit hat sie bereits bezahlt.«
    »Das Forfeit?« Vielleicht meinte er die Anfahrtskosten, wie für Klempner und Heizungsmonteure.
    »Nachdem wir ein paarmal unangenehme Erfahrungen gemacht haben, wurde eine Neuregelung eingeführt. Seit dem ersten Januar sichern wir uns ab, indem wir neue Fälle nach ihrer Bedeutung gewichten und eine im Voraus zu entrichtende Pauschale verlangen, ein nicht erstattungsfähiges Forfeit, in diesem Fall zehntausend Euro.«
    Er redete genau wie sein Bruder, der Buchhalter, aber wer zehntausend nicht erstattungsfähige Euro einstrich, ohne einen Finger krumm zu machen, konnte meinetwegen reden wie das Orakel von Delphi. »Das klingt nach Oberklasse«, sagte ich beeindruckt.
    »Knapp unter Mittelklasse«, erwiderte er. »Siebentausend werden auf Ihr Konto überwiesen. Ansonsten können Sie wie gehabt Ihre Stunden beziehungsweise Tage zuzüglich Spesen deklarieren.«
    »Bei Ihrem Bruder.«
    »Genau. Führen Sie ein Fahrtenbuch?«
    Herrgott, dachte ich. »Ich werde schon eins zurechtschustern.«
    O nein, das reichte nicht. »Ich lasse Ihnen eins zuschicken, wir hätten gern von allen Mitarbeitern dasselbe Format.«
    »Natürlich.« CyberNel mochte wissen, was das zu bedeuten hatte. Ich dagegen hatte den Eindruck, als pickten sich die Leute immer öfter irgendwelche Begriffe aus dem Fernsehen heraus und streuten sie an beliebigen Stellen in ihre Dialoge ein. Bestimmt meinte er gar nicht Format im Sinne von ›Struktur einer neuen Fernsehserie‹. Vermutlich war es ein moderner Ausdruck für Formular.
    »Die Mail geht gerade raus.«
    »Danke. Viele Grüße auch …«
    Er hatte bereits aufgelegt.
    Ich schaltete meinen Computer ein, klickte E-Mail an und hörte das Dingdong für Posteingang. Es war ein kurzer Bericht mit der Telefonnummer von Mevrouw Heleen Runing und der Mitteilung, sie habe das Ermittlungsbüro Meulendijk auf Grundlage eines Vertrages dazu beauftragt, Nachforschungen hinsichtlich der Berechtigung einer Kindsteilforderung an dem Erbe ihres kürzlich verstorbenen Ehemannes anzustellen.
    Ich starrte eine Zeit lang auf den abstrusen Text. Auf Grundlage eines Vertrages? Berechtigung einer Kindsteilforderung? Ich schaute auf die Uhr und wählte die Nummer.
     
    Ein großes, luxuriöses Haus. Hier hatte der Generaldirektor und Hauptaktionär der Runing Hotelverwaltung AG gewohnt, bevor er auf einem Golfplatz erschossen worden war. Ich stellte mein Auto vor die Garage. Eines der Tore stand offen. Ein Gärtner fuhr auf einem Rasentraktor mit federndem Sitz über eine Wiese, die so groß war wie ein Fußballfeld. Gärtner schien ein attraktiver Beruf zu sein.
    Eine junge Frau öffnete die massive Eingangstür.
    »Guten Tag, mein Name ist Max Winter.«
    Sie lächelte. »Angenehm, ich bin Gwenaëlle, die Haushälterin.«
    »Klingt wie ein keltischer Name.«
    »Ich komme aus der Bretagne.« Daher der Akzent. »Kommen Sie mit, Madame erwartet Sie.«
    Bien sûr. Gwenaëlle führte mich durch eine Marmoreingangshalle mit einer Treppe, die aus Vom Winde verweht hierher geweht sein könnte, in ein riesiges Wohnzimmer hinein. Terrassentüren boten Aussicht auf Rosen, Blumenbeete, Rasenflächen, Gartenmöbel und einen Swimming-Pool. Vom Wohnzimmer aus führte ein breiter Bogen zu einem förmlichen Esszimmer mit einem langen Tisch, der von hochlehnigen Stühlen, massiven Büfetts, Glasvitrinen mit Porzellan und barocken goldgerahmten Stillleben umgeben war. Hinter den komfortablen Polstermöbeln im Wohnzimmer stand ein großer Steinway mit einer Beethovenbüste darauf.
    Eine Dame kam zur Terrassentür herein. »Sie sind vom Ermittlungsbüro Meulendijk?«
    »Ja, Mevrouw. Max Winter.«
    Ihr Händedruck war kräftig. Sie hatte klassische Gesichtszüge, blonde Haare und graublaue Augen und trug dezentes Make-up. Häufig sehen die

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