Charlston Girl
nie, nie erzählen, was Sie eben gedacht haben.« Neckisch ziehe ich die Augenbrauen hoch, aber sie steigt nicht darauf ein.
»Was?« Sie legt ihre Stirn in Falten. »Wovon reden Sie?«
Scheiße.
»Sie wissen schon.« Ich zwinge mich, mein Lächeln aufrechtzuerhalten. »Sie wissen schon.«
»Nein.« Sie schüttelt stur den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
Das allgemeine Geplapper ist verhallt. Neugierige Mienen wenden sich uns zu.
»Muss ich sie Ihnen denn buchstabieren?« Langsam wird mein Lächeln gezwungen. »Diese Gedanken? Diese seltsamen Gedanken, die Sie gerade hatten...« Ich nähere mich dem Ende meiner Fahnenstange. »Gerade eben...«
Plötzlich starrt sie mich entsetzt an. »Oh Gott. Das. Sie haben recht.«
Irgendwie schaffe ich es, nicht vor Erleichterung tot umzufallen.
»Die Große Lara hat immer recht!« Ich verneige mich tief. »Leben Sie wohl! Auf ein baldiges Wiedersehen!«
Eilig steuere ich durch die applaudierende Menge auf Ed zu.
»Ich habe Ihre Tasche«, raunt er mir zu. »Eine Verbeugung noch, dann sind wir draußen.«
Ich halte die Luft an, bis wir draußen auf der Straße in Sicherheit sind. Es weht eine lauwarme Brise. Der Hotelportier ist von einer Traube von Leuten umgeben, die alle auf ein Taxi warten, aber ich möchte nicht das Risiko eingehen, dass mich jemand von der Abendgesellschaft einholt, also gehe ich schnell weiter.
»Gut gemacht, Supi«, sagt Ed, als er mich eingeholt hat.
»Danke.«
»Schade, das mit den Zauberkräften.« Fragend sieht er mich an, aber ich tue so, als würde ich nichts merken.
»Ja, nun.« Ich zucke mit den Schultern, als sei nichts gewesen. »Sie kommen und gehen, so ist das mit den fernöstlichen Mysterien. Also, wenn wir in diese Richtung laufen...«, ich blicke zu einem Straßenschild auf, »...müssten wir ein Taxi finden.«
»Ich bin Ihnen ausgeliefert«, sagt Ed. »Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus.«
Dieses London-nicht-Kennen geht mir langsam auf die Nerven.
»Gibt es denn eine Gegend, die Sie kennen?«
»Ich kenne meinen Weg zur Arbeit.« Ed zuckt mit den Achseln. »Ich kenne den Park gegenüber meinem Haus. Ich kenne den Weg zu Whole Foods.«
Okay, es reicht. Wie kann er es wagen, in diese wunderbare Stadt zu kommen, ohne auch nur einen Funken Interesse daran zu zeigen?
»Finden Sie das nicht echt engstirnig und arrogant?« Abrupt bleibe ich stehen. »Finden Sie nicht, wenn Sie in diese Stadt kommen und hier leben, sollten Sie diese Stadt so weit respektieren, dass Sie sie wenigstens kennenlernen? London ist eine der faszinierendsten, historischsten, atemberaubendsten Städte der Welt! Und Whole Foods! Das ist ein amerikanischer Laden! Könnten Sie nicht mal Waitrose ausprobieren?« Meine Stimme wird immer lauter. »Ich meine, wieso haben Sie hier einen Job angenommen, wenn Sie gar kein Interesse am Hier haben? Was wollten Sie denn eigentlich?«
»Ich wollte die Stadt mit meiner Verlobten erkunden«, sagt Ed ganz ruhig.
Seine Antwort nimmt mir etwas den Wind aus den Segeln.
Verlobte. Welche Verlobte?
»Bis sie mit mir Schluss gemacht hat, eine Woche bevor sie herkommen wollte«, fährt Ed lapidar fort. »Sie hat ihre Firma gebeten, ihre Stelle in London jemand anderem zu übertragen. Sie sehen also, ich saß in der Klemme. Nach London gehen sich auf die Arbeit konzentrieren und das Beste daraus machen oder in Boston bleiben und wissen, dass ich sie fast jeden Tag sehen würde. Sie arbeitete im selben Gebäude wie ich.« Er macht eine kurze Pause, dann fügt er hinzu. »Und ihr neuer Freund auch.«
»Oh.« Betrübt starre ich ihn an. »Tut mir leid. Ich... wusste ja nicht.«
»Kein Problem.«
Seine Miene ist dermaßen leidenschaftslos, dass es fast aussieht, als sei es ihm egal, aber langsam begreife ich seine lakonische Art. Es ist ihm nicht egal, ganz und gar nicht. Plötzlich verstehe ich seine Sorgenfalten besser. Und diese verschlossene Miene. Und diese misstrauische Art, die er im Restaurant hatte. Gott, was für ein Biest seine Verlobte sein muss. Ich sehe sie förmlich vor mir. Große, weiße, amerikanische Zähne und wippendes, langes Haar und Killer Heels. Ich wette, er hat ihr einen fetten Ring gekauft. Ich wette, sie hat ihn behalten.
»Das muss schrecklich gewesen sein«, sage ich kläglich, als wir weitergehen.
»Ich hatte die Reiseführer.« Er blickt stur geradeaus. »Ich hatte die Straßenkarten. Ich hatte unzählige Ausflüge geplant. Nach Stratford-upon-Avon... Schottland...
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