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Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
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Vorwurfsvoll schüttle ich meinen Kopf. »Werfen Sie diese Gedanken von sich, die besagen ›Ich bin besser als alle anderen hier am Tisch!‹ Sie blockieren mich!«
    Der Mann läuft rot an.
    »Also, wirklich...«, sagt er.
    »Ich hab‘s!«, falle ich ihm ins Wort. »Ich habe Ihre Gedanken gelesen, und es ist kein Bild. Niemand narrt Die Große Lara! Auf Ihrer Serviette steht...« Ich lege eine kurze Pause ein und wünschte, ich hätte einen Trommelwirbel. »›Gezeit der Nebel, reicher Ernte Zeit‹. Zeigen Sie mir bitte Ihre Serviette.«
    Ha! Der Angeber sieht aus, als hätte er einen Fisch verschluckt. Langsam hebt er seine Serviette, und allen stockt der Atem. Dann applaudieren sie.
    »Leck mich am Arsch!«, sagt sein Nachbar unverblümt. »Wie haben Sie das gemacht?« Er blickt in die Runde. »Das konnte sie unmöglich wissen.«
    »Es ist ein Trick«, sagt der Aufgeblasene, aber er klingt nicht sonderlich überzeugt.
    »Machen Sie es noch mal! Machen Sie es mit jemand anderem!« Ein Mann gegenüber winkt zum Nachbartisch. »Hey, Neil, das musst du sehen. Wie heißen Sie noch gleich?«
    »Lara«, sage ich stolz. »Lara Lington.«
    »Wo haben Sie das gelernt?« Der Große Firenzo steht an meiner Seite und atmet schwer, als er mir ins Ohr raunt. »Wer hat Ihnen das beigebracht?«
    »Niemand«, antworte ich. »Ich sage doch, ich habe besondere Fähigkeiten. Weibliche Fähigkeiten«, füge ich hinzu. »Was bedeutet, dass sie besonders stark ausgebildet sind.«
    »Gut«, schnauzt er. »Vergessen Sie‘s. Ich werde Sie der Gewerkschaft melden.«
    »Lara, lass uns gehen!« Sadie taucht auf meiner anderen Seite auf und streichelt Eds Brust. »Ich will tanzen. Komm schon!«
    »Nur noch ein paar Tricks«, flüstere ich, als sich die Gäste um unseren Tisch scharen, um mir zuzusehen. »Guck dir die vielen Leute an! Ich kann mit ihnen reden, meine Karten verteilen, ein paar Kontakte machen...«
    »Deine Kontakte sind mir total egal.« Sie schmollt. »Ich möchte meinen Booty schütteln!«
    »Nur zwei noch«, sage ich im Schutz meines Weinglases. »Dann gehen wir. Versprochen.«
    Aber dann bin ich so gefragt, dass plötzlich fast eine Stunde um ist. Alle wollen, dass ich ihre Gedanken lese. Alle wollen wissen, wie ich heiße! Der Große Firenzo hat eingepackt und ist gegangen. Ich habe ein etwas schlechtes Gewissen, doch dann hätte er eben nicht so eklig sein sollen, oder?
    Mehrere Tische wurden beiseitegeschoben, Stühle herangeholt, und es hat sich eine Traube von Menschen um mich herum gebildet. Inzwischen habe ich meine Nummer verfeinert und ziehe mich in einen kleinen Nebenraum zurück, während die entsprechende Person etwas aufschreibt und es dem Publikum zeigt. Dann komme ich wieder herein und rate. Bisher hatte ich Namen, Daten, Bibelverse und eine Zeichnung von Homer Simpson. (Sadie hat sie mir beschrieben. Zum Glück habe ich ihn erkannt.)
    »Und nun...«, tiefsinnig blicke ich in die Runde,»... wird Die Große Lara eine noch erstaunlichere Großtat vollbringen. Ich werde... die Gedanken von fünf Personen gleichzeitig lesen!«
    Allgemeines Aufstöhnen wird laut, dazu vereinzelter Applaus.
    »Ich!« Eine junge Frau stürmt vor. »Ich!«
    »Und ich!« Noch eine Frau schiebt sich zwischen den Stühlen hindurch.
    »Setzen Sie sich dorthin.« Ich mache eine ausschweifende Geste. »Die Große Lara wird sich nun zurückziehen und dann wiederkommen und Ihre Gedanken lesen!«
    Es wird applaudiert und gejohlt, und ich lächle bescheiden.
    Ich mache mich auf den Weg in den Nebenraum und nehme einen Schluck Wasser. Meine Wangen glühen, und ich bin total aufgedreht. Es ist fantastisch! Das sollten wir immer machen!
    »Okay«, sage ich, sobald die Tür hinter mir zu ist. »Wir nehmen sie nacheinander dran. Es müsste ganz einfach sein...« Ich stutze überrascht. Sadie hat sich direkt vor mir aufgebaut.
    »Wann gehen wir endlich?«, will sie wissen. »Ich will tanzen. Es ist mein Date.«
    »Ich weiß.« Ich frische eilig mein Lipgloss auf. »Und das tun wir auch.«
    »Wann?«
    »Sadie, jetzt komm. Es macht solchen Spaß. Alle amüsieren sich königlich. Tanzen kannst du immer!
    »Ich kann eben nicht immer tanzen!« Ihre Stimme wird vor Wut lauter. »Wer ist hier jetzt selbstsüchtig? Ich will endlich los! Und zwar sofort!«
    »Gleich. Nur einen Trick noch...«
    »Nein, ich hab genug davon, dir zu helfen! Mach es doch allein!«
    »Sa-...« Mir bleibt das Wort im Hals stecken, als sie direkt vor meinen Augen verschwindet.

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