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Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
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Nach-...« Ich reibe meine Nase und mir ist heiß und unwohl.
    Oh Gott, das ist ein Minenfeld. Wie soll ich das formulieren? Wie sagt man es politisch korrekt?
    »Also... wie funktioniert das eigentlich?« Ich versuche es anders.
    »Ich weiß nicht, wie es funktioniert! Man hat mir keine Gebrauchsanweisung mitgegeben.« Ihre Stimme klingt scharf, aber in ihren Augen sehe ich ein unsicheres Blitzen. »Ich will nicht hier sein. Ich bin hier einfach gelandet. Und ich weiß nur, dass ich meine Kette brauche. Mehr weiß ich nicht. Aber dafür... brauche ich deine Hilfe.«
    Eine Weile herrscht Schweigen. Ich schlürfe noch eine Auster, während unangenehme Gedanken an mir nagen. Sie ist meine Großtante. Es ist ihr einziger und letzter Wunsch. Man sollte sich Mühe geben, wenn es um den letzten und einzigen Wunsch eines Menschen geht. Selbst wenn dieser Wunsch unsinnig und unmöglich ist.
    »Sadie.« Schließlich atme ich scharf aus. »Wenn ich deine Kette finde, gehst du dann weg und lässt mich in Frieden?«
    »Ja.«
    »Endgültig?«
    »Ja!« Ihre Augen leuchten.
    Ernst verschränke ich die Arme. »Wenn ich mir bei der Suche nach deiner Kette so große Mühe gebe, wie ich kann, sie aber nicht finde, weil sie schon vor zig Jahren verloren gegangen ist oder vielleicht sogar nie existiert hat... gehst du dann trotzdem weg?«
    Schweigen. Sadie schmollt.
    »Sie hat existiert«, sagt sie.
    »Trotzdem?«, beharre ich. »Denn ich möchte nicht den ganzen Sommer mit einer absurden Schatzsuche verbringen.«
    Eine Weile sieht Sadie mich finster an, überlegt offensichtlich, was sie noch entgegnen könnte. Ihr fällt nichts ein.
    »Meinetwegen«, sagt sie schließlich.
    »Okay. Abgemacht.« Ich hebe mein Champagnerglas. »Darauf, dass wir deine Kette finden!«
    »Dann aber los! Fang an zu suchen!« Ungeduldig sieht sie sich um, als könnten wir die Suche gleich hier und jetzt mitten in diesem Restaurant aufnehmen.
    »Wir dürfen uns nicht so wahllos auf die Suche machen! Wir müssen systematisch vorgehen.« Ich greife in meine Tasche, hole die Zeichnung mit der Kette hervor und entfalte sie. »Okay. Denk nach. Wo hattest du sie zuletzt?«

5
    Das Fairside Nursing Home liegt in einer grünen Wohnstraße: ein hübscher Klinkerbau mit weißen Gardinen an den Fenstern. Ich sehe es mir von der anderen Straßenseite aus an, dann wende ich mich Sadie zu, die mir von der U-Bahn Potters Bar bis hierher schweigend gefolgt ist. Sie fuhr mit mir in derselben Bahn, aber ich habe sie kaum zu sehen bekommen. Unentwegt flitzte sie durch den Waggon, sah sich alle Leute an, tauchte ab und tauchte wieder auf.
    »Hier hast du also gewohnt!«, sage ich übertrieben fröhlich. »Wirklich nett! Hübscher... Garten.« Ich deute auf ein paar schäbige Büsche.
    Sadie antwortet nicht. Ich blicke auf und sehe ihre Anspannung. Es muss seltsam für sie sein, hierher zurückzukommen. Ich frage mich, ob sie sich an das Heim erinnert.
    »Sag mal, wie alt bist du eigentlich?«, frage ich, als mir der Gedanke kommt. »Ich meine, ich weiß ja, dass du hundertfünf bist. Aber jetzt. Wenn du so... hier bist.« Ich zeige mit dem Finger auf sie. Die Frage scheint Sadie zu kränken. Sie betrachtet ihre Arme, untersucht ihr Kleid und reibt den Stoff nachdenklich zwischen ihren Fingern.
    »Dreiundzwanzig«, sagt sie schließlich. »Ja, ich glaube, ich bin dreiundzwanzig.«
    Ich rechne im Kopf nach. Sie war hundertfünf, als sie starb. Was bedeuten würde...
    »Dreiundzwanzig warst du 1927.«
    »Stimmt!« Plötzlich hellt sich ihre Miene auf. »An meinem Geburtstag hatten wir eine Pyjamaparty. Wir haben den ganzen Abend einen Gin Fizz nach dem anderen getrunken und getanzt, bis die Vögel zwitscherten... Oh, wie sehr ich diese Pyjamapartys vermisse!« Sie umarmt sich selbst. »Feiert ihr auch Pyjamapartys?«
    Gilt ein One-Night-Stand auch als Pyjamaparty?
    »Ich bin mir nicht sicher, ob sie noch genauso sind wie früher ...« Ich gerate ins Stocken, als in einem Fenster in der obersten Etage das Gesicht einer Frau auftaucht, die zu mir herunterschaut. »Komm! Gehen wir!«
    Zielstrebig überquere ich die Straße, nehme den Weg zur breiten Eingangstür und drücke auf den Klingelknopf.
    »Hallo?«, rufe ich in die Gegensprechanlage. »Ich habe leider keinen Termin.«
    Ein Schlüssel dreht sich im Schloss, und die Haustür geht auf. Eine Frau in blauer Schwesterntracht lächelt mich an. Sie sieht aus wie Anfang dreißig, das Haar zu einem Dutt verknotet, mit blassem, rundem

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