Charlston Girl
mit Marie‹.«
Ich kenne keine Marie. Josh kennt keine Marie.
»Wer ist Marie?« Ich kann meine Erregung kaum bändigen. »Wer ist Marie?«
Sadie zuckt mit den Schultern. »Seine neue Freundin?«
»Sag nicht so was!«, schreie ich entsetzt. »Er hat keine neue Freundin! Das kann nicht sein! Er hat gesagt, er hätte keine andere! Er hat gesagt...«
Meine Stimme erstirbt. Mein Herz wummert. Mir ist nie in den Sinn gekommen, dass Josh vielleicht eine andere Frau haben könnte. Es ist mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen.
In seiner Trennungs-E-Mail sagte er, er wollte sich nicht gleich in was Neues stürzen. Er sagte, er brauchte eine Auszeit, um »über sein ganzes Leben nachzudenken«. Na, da hat er ja nicht lange nachgedacht, was? Wenn ich über mein ganzes Leben nachdenken wollte, würde ich Ewigkeiten länger als sechs Wochen brauchen. Ich brauchte... ein Jahr! Mindestens! Vielleicht zwei oder drei.
Für Männer ist das Denken wie Sex. Sie meinen, es dauert zwanzig Minuten, dann ist man fertig, und es gibt eigentlich keinen Grund, noch ein Wort darüber zu verlieren. Wenn die wüssten.
»Stand da, wo sie hingehen?«
Sadie nickt. »Bistro Martin.«
»Bistro Martin?« Ich glaube, ich spinne! »Da hatten wir unser erstes Date! Da sind wir immer hingegangen!«
Josh führt ein Mädchen ins Bistro Martin aus. Ein Mädchen namens Marie.
»Geh noch mal rein!« Hektisch gestikulierend deute ich auf das Haus. »Sieh dich um! Finde noch mehr raus!«
»Ich gehe nicht wieder da rein!«, entgegnet Sadie. »Du weißt jetzt alles, was du wissen musst.«
Damit liegt sie allerdings nicht so falsch.
»Du hast recht.« Abrupt drehe ich mich um und lasse Joshs Wohnung hinter mir, so sehr in Gedanken vertieft, dass ich fast einen alten Mann anremple. »Ja, du hast recht. Ich weiß, in welches Restaurant sie wollen, und auch wann. Ich werde einfach hingehen und schauen, was da läuft...«
»Nein!« Sadie erscheint direkt vor meiner Nase. Erschrocken bleibe ich stehen. »So habe ich das nicht gemeint! Du kannst sie doch nicht ernstlich ausspionieren.«
»Ich muss.« Verdutzt starre ich sie an. »Wie soll ich sonst rausfinden, ob Marie seine neue Freundin ist oder nicht?«
»Man findet es nicht heraus. Man sagt: ›Gut, dass ich ihn los bin‹, kauft sich ein neues Kleid und sucht sich einen anderen Lover. Oder mehrere.«
»Ich will nicht mehrere Liebhaber«, sage ich stur. »Ich will Josh.«
»Tja, du kriegst ihn aber nicht! Vergiss ihn endlich!«
Ich habe so, so, so was von die Schnauze voll davon, dass mir alle sagen, ich soll Josh aufgeben. Meine Eltern, Natalie, diese alte Frau, mit der ich mich letztens im Bus unterhalten habe...
»Warum sollte ich ihn vergessen?« In einem Schwall des Protestes schwappen meine Worte aus mir hervor. »Wieso erzählen mir alle, dass ich aufgeben soll? Was ist schlecht daran, an seinem Ziel festzuhalten? In jedem anderen Lebensbereich wird man zur Standhaftigkeit ermutigt! Sie wird belohnt! Ich meine, man hat Edison ja auch nicht gesagt, er soll die Sache mit den Glühbirnen aufgeben, oder? Man hat Scott nicht gesagt, er soll das mit dem Südpol vergessen! Niemand hat gesagt: ›Vergiss es, Scotty, da draußen gibt es noch so viele andere Schneewüsten. ‹ Er hat es immer weiter versucht. Er hat sich geweigert aufzugeben, so schwierig es auch werden mochte. Und er hat es geschafft!«
Ich fühle mich richtig aufgewühlt, als ich fertig bin, aber Sadie glotzt mich an, als wäre ich geistig nicht ganz auf der Höhe.
»Scott hat es nicht geschafft«, sagt sie. »Er ist erfroren.«
Übellaunig funkle ich sie an. Manche Leute sind einfach so was von negativ.
»Wie dem auch sei.« Ich mache auf dem Absatz kehrt und stampfe die Straße entlang. »Ich gehe in dieses Bistro.«
»Ein Mädchen kann nichts Schlimmeres tun, als einem Jungen hinterherzulaufen, wenn die Liebe ein Ende hat«, sagt Sadie abfällig. Ich laufe schneller, aber sie hat kein Problem, mit mir Schritt zu halten. »In meinem Dorf gab es ein Mädchen namens Polly, eine schreckliche Klette. Sie war überzeugt davon, dass dieser Typ, dieser Desmond, sie noch liebte, und lief ihm überall hinterher. Also haben wir ihr einen kleinen Streich gespielt. Wir haben ihr erzählt, Desmond hätte sich im Garten hinter einem Busch versteckt, weil er zu schüchtern sei, direkt mit ihr zu sprechen. Als sie in den Garten kam, hat einer der anderen Jungen laut einen Liebesbrief vorgelesen, der angeblich von Desmond kam. Wir
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