Charlston Girl
keine E-Mail geantwortet. Wir haben uns Sorgen gemacht!«
»Oh, stimmt. Entschuldige. Ich war ziemlich beschäftigt.«
»Wie war es auf dem Polizeirevier, Liebes?«, fragt Mum und gibt sich alle Mühe, entspannt zu klingen.
»Es war okay. Ich habe eine Aussage gemacht.«
»Oh, Michael!« Verzweifelt schließt Mum die Augen.
»Dann glaubst du also wirklich, dass Großtante Sadie ermordet wurde?« Ich merke, dass Dad genauso erschüttert ist wie Mum.
»Hör mal, Dad. Das ist keine große Sache«, sage ich beschwichtigend. »Mach dir um mich keine Sorgen.«
Mum reißt die Augen auf. »Vitamine«, sagt sie und fängt an, in der Holland&Barrett-Tüte herumzuwühlen. »Ich habe die Frau im Laden gefragt... nach beruhigenden...« Sie bremst sich. »Außerdem Lavendelöl... und bei Stress kann eine Zimmerpflanze helfen... du könntest mit ihr sprechen!« Sie versucht, mir den Topf in die Hand zu drücken, aber ich gebe ihn unwirsch wieder zurück.
»Ich will keine Pflanze! Ich vergess nur, sie zu gießen, und dann geht sie ein.«
»Du musst die Pflanze ja nicht nehmen«, sagt Dad vermittelnd und wirft Mum einen warnenden Blick zu. »Aber offensichtlich hast du in letzter Zeit unter großem Stress gestanden, mit deiner neuen Firma... mit Josh...«
Die werden so was von umschwenken müssen! Die werden so was von merken, dass ich von Anfang an recht hatte, wenn Josh und ich erst wieder zusammen sind und heiraten. Das darf ich jetzt natürlich nicht sagen.
»Dad.« Geduldig lächle ich ihn an. »Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich an Josh gar nicht mehr denke. Ich lebe mein Leben einfach weiter. Ihr fangt immer wieder damit an.«
Ha. Das war clever. Gerade will ich Dad erklären, dass er von Josh besessen ist, als am Kantstein neben uns ein Taxi hält und der Fahrer sich herauslehnt.
»32 Bickenhall Mansions?«
Verdammt. Okay, ich tue einfach so, als würde ich ihn nicht hören.
Mum und Dad tauschen Blicke. »Wohnt da nicht Josh?«, sagt Mum zögerlich.
»Ich kann mich gar nicht mehr erinnern«, sage ich leichthin. »Aber es ist ja sowieso für jemand anderen...«
»32 Bickenhall Mansions?« Der Fahrer lehnt sich noch weiter aus dem Taxi, und seine Stimme wird lauter. »Lara Lington? Haben Sie ein Taxi bestellt?«
Mist.
»Warum fährst du zu Joshs Wohnung?« Mum klingt, als sei sie nicht mehr ganz bei sich.
»Tu ich... nicht!«, eiere ich herum. »Den Wagen habe ich wahrscheinlich vor Monaten bestellt, und jetzt kommt er endlich! Die lassen einen ganz schön warten. Sie sind ein halbes Jahr zu spät dran! Hauen Sie ab!« Ich verscheuche den ratlosen Fahrer, der schließlich den ersten Gang einlegt und losfährt.
Wir schweigen. Dads Miene ist leicht zu durchschauen, wirklich liebenswert. Er möchte nur das Beste von mir denken. Andererseits deuten alle Beweise in die andere Richtung.
»Lara, schwörst du, dass das Taxi nicht für dich war?«, sagt er schließlich.
»Ich schwöre!« Ich nicke. »Beim Leben von... Großtante Sadie.«
Ich höre ein Stöhnen, drehe mich um und sehe, dass Sadie mich mit flammendem Blick ansieht.
»Mir ist nichts anderes eingefallen!«, sage ich zu meiner Verteidigung.
Sadie ignoriert mich und tritt direkt auf Dad zu. »Ihr seid dumm«, sagt sie mitfühlend. »Sie ist immer noch in Josh vernarrt. Sie will ihn ausspionieren. Und ich soll für sie die Drecksarbeit erledigen.«
»Sei still, du Petze!«, rufe ich, bevor ich mich beherrschen kann.
»Bitte?« Dad starrt mich an.
»Nichts.« Ich räuspere mich. »Nichts! Alles gut.«
»Du bist doch verrückt.« Mitleidig fährt Sadie herum.
»Jedenfalls suche ich keine Leute heim!«, erwidere ich.
»Heimsuchen ?« Dad versucht, mir zu folgen. »Lara... was um alles in der Welt...«
»Entschuldige.« Ich lächle ihn an. »Hab nur laut gedacht. Offen gesagt, habe ich an meine arme Großtante Sadie gedacht.«
Ich seufze und schüttle mitfühlend den Kopf. »Sie hatte immer so schrecklich dürre Ärmchen.«
»Die sind nicht dürr!« Sadie funkelt mich an.
»Wahrscheinlich hielt sie es für attraktiv. Wie man sich doch täuschen kann!« Ich lache heiter. »Wer will schon Pfeifenreiniger als Arme haben?«
»Wer möchte schon Würste als Arme haben?«, fährt Sadie mich an, und ich stöhne auf vor Wut.
»Das sind keine Würste!«
»Lara...«, sagt Dad kraftlos. »Was sind keine Würste?« Mum sieht aus, als müsste sie gleich weinen. Noch immer klammert sie sich an ihr Lavendelöl und ein Buch mit dem Titel Stressfreies
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