Charons Klaue
waren.
Ambergris stemmte die Hände in die Hüften und schnaubte. »Du verstehst es einfach nicht, oder?«, fragte sie.
Der Mönch verschränkte die schlanken, kräftigen Arme vor der Brust.
Sie lachte nur und wandte sich ab.
»Gehen wir auf die Jagd?«, fragte der Mönch begierig.
»Wir schauen mal nach, was die toten Schatten so bei sich hatten«, stellte die Zwergin richtig. »Und wenn du siehst, wie viele tote Schatten da herumliegen, begreifst du es vielleicht endlich.«
»Was?«
»Dass ich nicht vorhabe, mich in nächster Zeit danebenzulegen«, schimpfte die Zwergin und stapfte davon.
Drizzt, Dahlia und Entreri erreichten einen Grat, von dem aus es auf einen langen, steilen Abhang ging, an dessen Ende große Trümmer lagen. Drizzt und Dahlia kannten diesen Ort. Hier hatten sie sich in einen Kampf mit Sylora Salms Truppen aus Tay gestürzt.
»Es ist nicht mehr weit«, bemerkte Drizzt und zeigte nach links.
»Jedenfalls bis zu den äußeren Tunneln«, stellte Dahlia klar. »Der Zugang nach Gauntlgrym liegt noch mehrere Stunden entfernt, falls er überhaupt noch existiert.«
Ihre Stimme klang herausfordernd, und Drizzt bedachte sie mit einem angemessen warnenden Blick, den Dahlia zehnfach erwiderte.
»Unter der Erde sind wir sicherer als hier draußen«, sagte Drizzt.
»Fürchtest du den nächsten Kampf mit Nesser?«, entgegnete Dahlia.
»Bringen wir es einfach hinter uns«, knurrte Entreri und ging weiter, ohne sich umzusehen.
Drizzt kam sich dumm vor – ob es Dahlia ebenso erging, wusste er nicht –, weil Entreri ihnen beiden gerade gezeigt hatte, wie armselig ihre Streiterei war. Die Feindseligkeit zwischen Drizzt und Dahlia beruhte ganz offensichtlich auf einem anderen Grund, und angesichts der Bedeutung ihrer Aufgabe brachte Entreris beißender Spott beide zum Schweigen. Sie näherten sich nicht nur Gauntlgrym, sondern auch dem Urelementar und der Zerstörung von Charons Klaue, die Artemis Entreris Versklavung beenden, ihn aber auch das Leben kosten würde.
Wie lächerlich erschienen ihre eifersüchtigen Streitereien in diesem Licht!
Beschämt ging Drizzt dem Meuchelmörder nach, doch Dahlia folgte ihm erst mit erheblichem Abstand.
Der Zugang zum Tunnel war leicht zu finden. Danach liefen sie zielstrebig und schweigend auf die große Höhle mit dem Tor nach Gauntlgrym zu. Alle drei bewegten sich sicher und lautlos und brauchten in den Gängen nichts als den schwachen bläulichen Schein von Drizzts Krummsäbel, um sich zu orientieren.
Blaues Licht erhellte nur einen kleinen Bereich vor dem Drow, der die Führung übernommen hatte. Zumindest er musste Monstern oder Goblins, die hier lauern mochten, als leichte Beute erscheinen. Das war allerdings kein größeres Problem, denn alle drei waren gleichermaßen auf den nächsten Kampf versessen. Wenn sie nicht bald einen gemeinsamen Feind auftrieben, würden sie sich wahrscheinlich gegenseitig an die Kehle gehen, dachte Drizzt.
Wieder ging ihm die Vorstellung durch den Kopf, wie er Artemis Entreri niederschlug, und vermischte sich mit dem privaten Gespräch, das der Meuchelmörder mit Dahlia geführt hatte. Sie hatten etwas gemeinsam, das wusste der Drow, etwas, das tiefer ging als sein Band zu Dahlia. Er stellte sich vor, wie er Entreri tödlich traf – wenn auch erstaunlicherweise mit einem roten Schwert.
»Wie weit noch?«, fragte Entreri eine ganze Weile später, womit er Drizzt in der unheimlichen Stille der Tunnel aus seinen Gedanken riss.
Drizzt blieb stehen und wartete, bis Entreri und Dahlia ihn eingeholt hatten. Er sah Dahlia fragend an, doch die Erinnerungen der Elfe waren offenbar genauso löchrig wie seine eigenen.
»Wir dürften die Hälfte geschafft haben«, antwortete er. »Vielleicht nicht ganz.«
»Dann sollten wir eine Wache bestimmen und eine Runde schlafen«, sagte Entreri.
»Ich dachte, du hättest es so eilig mit dem Sterben«, fauchte Dahlia ihn an.
»Ich habe es eilig, das Schwert los zu sein«, antwortete er, ohne zu zögern. »Aber ich habe keine Lust, mich mit noch mehr Shadovar herumzuschlagen, solange meine Beine vom langen Weg ermüdet sind.«
Dahlia wollte ihm widersprechen, aber Drizzt kam ihr zuvor. »Einverstanden«, sagte er. Damit war die Debatte beendet, auch wenn es ihm einen bösen Blick von Dahlia eintrug, dass er für Entreri Partei ergriff. Vermutlich würde sie gleich den nächsten Streit vom Zaun brechen. »Wenn wir Gauntlgrym betreten, müssen wir auf alles gefasst sein. Wir wissen nicht,
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