Charons Klaue
ein, die nun wieder lächelte, nachdem klar war, dass Invidoo sich nicht bei Glasya beschweren würde. Jetzt brauchte sie nur ein wenig schlauer zu sein als das Teufelchen, und das war nicht schwer. »Besorge mir Ersatz.«
»Mit Leichtigkeit!«, sagte Invidoo, ohne zu zögern, und schnippte mit seinen dürren Fingern.
»Einen Ersatz, der diesen neuen Gegner kennt«, endete Arunika.
Da wurde Invidoo wieder kleiner und starrte sie an. »Der wen kennt?«
»Drizzt Do’Urden«, sagte Arunika und nickte. »Bring mir einen Ersatz, der …« Sie zögerte und sah Invidoo argwöhnisch an, weil ihr vollkommen klar war, zu wem er mit diesem Auftrag gehen würde. »Nein«, korrigierte sie sich. »Bring mir einen Ersatz, der Drizzt Do’Urden bestens kennt. Dann kannst du deine Bindung auf ihn übertragen.«
Invidoo schüttelte sein Katzengesicht so wütend, dass es ihn beinahe von den Füßen gerissen hätte und nur ein letztes Flattern ihn davor bewahrte. »Geht nicht! Bestens? Ja, wie denn?«
Arunika zuckte mit den Schultern, als wäre ihr das egal. War es auch. »Das ist deine abschließende Aufgabe. Du hast darum gebeten, und ich war einverstanden.«
»Das wird Glasya zu Ohren kommen!«, warnte das Teufelchen.
»Nur zu«, entgegnete Arunika. Sie hatte gewonnen.
Invidoo stampfte grollend mit dem Fuß auf.
»Bestens«, wiederholte Arunika. »Und jetzt verschwinde, bevor ich dich umbringe, weil du mich verraten hast – weil du überhaupt nur ein Wort mit diesem verdammten Effron gewechselt hast.«
Arunika stieß einen Arm zur Seite. Ein Feuerstrahl schoss aus ihrer Hand, traf den Boden und formte dort ein wild züngelndes, knisterndes Flammentor. »Verschwinde!«
Invidoo duckte sich vor Schreck und flog darauf zu, um kopfüber durch das Tor zu tauchen.
Und als würde sie erwarten, dass das Teufelchen sie erneut betrog und zurückschlüpfte, löschte Arunika mit der nächsten Anrufung prompt die Flammen. Dann betrachtete sie die Spur auf dem Boden, eine weitere schwarze Narbe auf dem vom Todesring verwüsteten Feld.
Sie musste eine geschickte List für Invidoos Rückkehr ersinnen, das wusste sie, denn sie ging natürlich davon aus, dass das Teufelchen seine Aufgabe nicht erfüllen konnte. Sie musste darauf vorbereitet sein, diesem Effron die Stirn zu bieten, und das war jemand, den sie nicht unterschätzen würde.
Doch dieses Vorhaben musste warten, sagte sie sich, denn vorläufig hatte sie Dringenderes zu tun, insbesondere, was ihre beschädigte Verbindung zum gefährlichen Alegni anging.
Langsam machte sie sich auf den Heimweg und lotete dabei in Gedanken alle Möglichkeiten aus.
Doch obwohl Arunika auf diese Weise die halbe Nacht unterwegs war, überraschte es sie, bei ihrer Rückkehr Bruder Anthus in ihrem Haus im Süden der Stadt vorzufinden. Normalerweise dauerten seine Besuche beim Botschafter deutlich länger.
Noch überraschender jedoch war seine Miene, die absolute Verwirrung, ja Furcht ausdrückte, als hätte den jungen Mann etwas zutiefst erschüttert.
»Sie sind weg«, platzte er heraus, noch ehe Arunika etwas sagen konnte.
»Weg?«
»Das Hoheitsgebiet«, erklärte der Mönch. Er rieb an seinem Gesicht, das noch röter wurde.
»Der Botschafter ist weg? Gibt es einen neuen?«
»Alle«, erwiderte Bruder Anthus. »Der Botschafter mit seinem gesamten Gefolge. Sie sind alle weg.«
»Das heißt, sie sind umgezogen«, überlegte Arunika. »Vielleicht fühlten sie sich nach Syloras Sturz nicht mehr sicher und sind nach …«
»Weg!«, schrie Bruder Anthus, und der Mann wurde nur selten laut. Jetzt aber war er hektisch und völlig durcheinander. »Sie haben die Gegend verlassen. Das hier hat der Botschafter zurückgelassen.« Er zog ein kleines Tuch von einem Fläschchen und hielt es hoch. Arunika betrachtete es neugierig. »Eine Gedankenflasche«, erklärte Bruder Anthus. Er hob die geöffnete Phiole an die Nase, atmete tief ein und schüttelte den Kopf, als würde er einem traurigen Lied lauschen, das mit einem einfachen Wort endete: »Weg.«
Arunika nahm ihm das Fläschchen ab und atmete ebenfalls ein. Es war keine Stimme, die sie vernahm, doch die Botschaft in ihrem Kopf war klar. Das Hoheitsgebiet hatte entschieden, dass die Lage zu instabil sei. Der Tod von Sylora Salm könnte mächtigere Sendboten von Szass Tam oder gar den Erzlich persönlich in die Region rufen, worauf das Nesser-Reich entsprechend reagieren würde. Die wichtigste Mitteilung jedoch war, dass das Hoheitsgebiet aktuell nicht
Weitere Kostenlose Bücher