Charons Klaue
sie getötet.«
Arunika sah das Teufelchen zweifelnd an.
»Ich habe ihr den Stab geraubt!«, verkündete Invidoo. Dann begann das Teufelchen, seine Brust mit viel Luft aufzublähen, bis sein schmaler Bauch unter dem Brustkorb verschwand. Schließlich hustete und würgte er, übergab sich in die eigene Hand, und als die saure Galle abgetropft war, blieb nur ein kleiner farbloser Finger zurück. Mit einem breiten Grinsen, bei dem er seine spitzen, gelben, vor Galle triefenden Zähne bleckte, hielt Invidoo seine Trophäe in die Höhe. »Den Stab und die Finger!«, sagte er triumphierend. »Hab noch mehr – hab noch einen!«, versicherte das Teufelchen und begann wieder zu würgen, bis der Sukkubus ihm mit erhobener Hand Einhalt gebot.
»Invidoo hat Sylora getötet!«, betonte das Teufelchen stolz.
Arunika wusste nicht, was sie mit dieser absurden Behauptung anfangen sollte, aber es war ihr eigentlich auch egal. Was machte es schon, wie Sylora Salm gestorben war? Hauptsache, sie war tot.
»Du hast gesagt, wenn Sylora tot ist, kann Invidoo nach Hause«, erinnerte das Teufelchen sie. »Kann Invidoo nach Hause?«
Diese Frage erinnerte Arunika an ihren Verdacht hinsichtlich gewisser anderer Aktionen des Teufelchens in letzter Zeit, und ihr hübsches Gesicht verhärtete sich. »Wärst du nach Syloras Tod auf direktem Weg zu mir gekommen, hätte ich dich gehen lassen«, sagte sie boshaft.
Invidoo hüpfte hoch, vollzog einen Rückwärtsüberschlag, landete und wippte von einem Fuß auf den anderen. »Musste heilen.«
Die Stimme des Teufelchens verebbte, und es begann wieder zu würgen. Auf dem Gesicht des kleinen Geschöpfs zeichnete sich Panik ab, als es begriff, dass der Sukkubus telepathisch in seine Gedanken eingedrungen war.
Denn Arunika vermochte durchaus selbst, Gedanken zu lesen, besonders bei einem Teufelchen, das sie als Vertrauten gerufen hatte.
»Lass mich gehen!«, beschwor Invidoo sie. »Nach Hause! Nach Hause! Weg von ihm!«
»Ihm?«, fragte Arunika und rückte bedrohlich näher.
»Dem verkrüppelten Tiefling.«
Also doch: Arunikas Verdacht bestätigte sich. Sie hatte schon vermutet, dass Alegni seine Informationen über die aktuellen dramatischen Entwicklungen im Wald von Niewinter über Effron erhalten hatte, und Invidoos Geständnis hatte ihr nun auch verraten, woher Effron sein Wissen bezog.
»Ich sollte dich umbringen!«, warnte der Sukkubus.
»Das sagt jeder!«
Arunika lachte, wäre aber am liebsten über Invidoo hergefallen. Sie erinnerte sich allerdings daran, dass das Teufelchen ihr nach wie vor von Nutzen sein konnte, zumal sie jetzt wusste, dass Effron es als Informationsquelle nutzte – oder als Quelle der Desinformation, wenn sie es geschickt anstellte.
»Du wirst nach Hause gehen«, sagte Arunika, worauf Invidoo sich wieder nach hinten warf. Diesmal überschlug er sich zweimal in der Luft und brauchte dazu kaum mit seinen Fledermausflügelchen zu flattern, ehe er geschickt auf den Klauenfüßen landete. Doch die Begeisterung des erbärmlichen kleinen Kerls war nicht von Dauer. »Ohne Verbindlichkeit«, fügte Arunika scheinbar beiläufig hinzu.
Invidoo riss die Augen auf, sein Kiefer klappte nach unten, und die Flügel hingen schlaff herab. »Nein!«, jammerte er. »Nein, nein, nein, nein, nein!« Denn dieser Zusatz bedeutete, dass er noch nicht entlassen war und seine Aufgaben noch nicht erfüllt hatte und dass Arunika sich das Recht vorbehielt, ihn nach Lust und Laune zu sich zu rufen.
»Du hast gesagt …«
»Und du kehrst zu mir zurück, wenn ich dich rufe«, teilte sie ihm mit.
»Das ist ungerecht«, wehrte sich Invidoo. »Appell an Glasya!«
Bei dieser Ankündigung kniff Arunika die Augen zusammen. Es war eine leere Drohung, denn Glasya, die Herrin über die sechste Ebene, würde sich niemals mit einem wie Invidoo gegen sie wenden. Dennoch war ein Vertragsbruch unter Teufeln keine geringe Angelegenheit, und obwohl Glasya ihr kaum in die Quere kommen würde, würde sie es auch nicht freundlich aufnehmen, dass man sie mit Lächerlichkeiten wie der Dienstzeit eines Teufelchens behelligte.
»Willst du dich wirklich mit mir anlegen?«, fragte der Sukkubus mit leiser, drohender Stimme.
»Eine abschließende Aufgabe!«, rief Invidoo. In diesem Fall würde Arunika ihm einen Auftrag geben, mit dem er seine Dienstzeit beenden konnte, ohne auf ihre Ebene und an ihre Seite zurückkehren zu müssen. »Invidoo verlangt eine abschließende …«
»Einverstanden«, willigte Arunika
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