Charons Klaue
ihm hatten mehrere Drider größte Mühe, nicht unsanft auf ihren gnadenlosen Anführer zu prallen.
»Was ist denn, Kommandant?«, wagte einer zu fragen, während die anderen unruhig umherkrochen.
Yerrininae blickte weiter zur Wand anstatt auf den Gang, der vor ihnen lag. Langsam, fast ehrfürchtig ging er hinüber, hob mit der linken Hand weit ausholend den langen Speer und tastete mit der anderen vorsichtig eine merkwürdige Vertiefung in der Wand ab. Als seine Finger über diese absonderliche Spalte glitten, trat ein Lächeln auf das Gesicht des Driders.
»Kommandant?«, wiederholte der andere Drider.
»Das ist kein natürlicher Riss«, erklärte Yerrininae. »Das hier wurde bearbeitet, vor langer, langer Zeit. Vielleicht ein Portal … jedenfalls irgendeine Tür.«
Der andere Drider wagte sich vor und hob auf Yerrininaes Aufforderung hin ebenfalls die Hand, um die senkrechten Linien des bearbeiteten Gesteins nachzufahren. »Was bedeutet das?«, fragte er.
Yerrininae richtete sich auf und sah sich nach allen Seiten um, während er überlegte, durch welche Höhlen und Gänge sie an diesem Tag gezogen waren. »Das bedeutet, dass dies der Vorposten war.«
»Von?«
Yerrininae sah den Drider an und grinste.
Doch da hallte ein Aufschrei von den Wänden wider, dessen Echo klang, als ob plötzlich hundert Drider-Krieger in Bedrängnis wären. Yerrininae sprang seitwärts den Gang hinunter, kam perfekt koordiniert auf und rannte kampfbereit weiter.
Wenige Biegungen vor ihnen fanden sie ihre Späher, die unter dem Haufen um sich schlagender, halb durchsichtiger, geisterhafter Zwerge kaum noch zu sehen waren.
Nein, nicht geisterhaft – dies waren tatsächlich Zwergengeister, erkannte Yerrininae und führte seine Mannschaft ins Getümmel.
Der große Drider ging vorneweg, denn Yerrininae war noch nie vor einem Kampf zurückgewichen. Er stürzte sich auf eine kleine Horde Geister und stach mit seinem langen Drow-Speer nach allen Seiten zu.
Das nützte jedoch nicht viel, denn diese Wesen waren nur teilweise an die materielle Ebene gebunden. Weder seine Waffe noch sein Stachel konnten sie ernsthaft verletzen, doch auch ihre Gegenwehr richtete wenig aus.
Als ein Dutzend anderer Geister sich jedoch von einem der unglücklichen Kundschafter löste und auf ihn zustürmte, begriff Yerrininae, dass ihre scheinbar substanzlosen Angriffe insgesamt doch erfolgreich waren, denn der Drider, von dem sie abgelassen hatten, sackte zu Boden. Sein Gesicht war nur noch eine Maske. Die Augen fehlten, die Lippen waren zerfetzt, und man hatte ihm den Kopf verdreht, als wäre er zwischen dicke Felsbrocken geraten. Der Drider taumelte halb tot herum und wurde nur noch durch die Symmetrie seiner acht Beine aufrecht gehalten.
»Reihen schließen!«, brüllte der Drider-Anführer.
Als die wertvollen Drider-Krieger zurückwichen, schickte Jearth seine Bodentruppen zwischen sie und den Feind.
Goblins, Orks und Grottenschrate stürmten den Gang entlang und in die dahinter liegende Höhle, wobei sie gegen ihren Fluchtinstinkt ankämpfen mussten, denn jeder, der auch nur im Geringsten zögerte oder sich gar zur Flucht wandte, fiel den Armbrüsten der Drow zum Opfer.
»Zwergengeister«, stellte Ravel weiter hinten zufrieden fest. »Gauntlgrym! Das muss es sein! Direkt vor uns. Wir haben die Zwergenstadt gefunden.«
»Das steht noch nicht fest«, warnte Berellip neben ihm.
»Ich spüre die Macht dieses Ortes«, widersprach Ravel. »Die Macht des Urelementars.« Das war keine Großspurigkeit und angesichts des Auftauchens der Zwergengeister auch keine Ausgeburt seiner Phantasie. Die hier gebundene Magie war gewaltig und urtümlich. Er spürte sie unter seinen Füßen. Ravel hatte während seiner Ausbildung in Sorcere viel mit Elementaren aller Art gearbeitet, da Gromph Baenre Gefallen daran fand, sie dutzendweise zu beschwören, nur um sie zu quälen.
Der Zauberspinner überlegte, ob er sich mit seinem Bruder Brack’thal beraten sollte, der in den Jahren vor der Zauberpest im Umgang mit Elementarkünsten angeblich ungemein beschlagen gewesen war. Doch dieser Gedanke verflog rasch, denn eine solche Genugtuung gönnte er Brack’thal nicht.
Auch ohne dessen Bestätigung kannte Ravel das Gefühl elementarer Magie, und darum handelte es sich bei der prickelnden Energie, die er jetzt durch Boden und Wände wahrnahm. Es war die tiefe Resonanz reinster Energie.
Links an der Wand eilte Tiago Baenre auf seiner Echse über die Köpfe der Drow, die
Weitere Kostenlose Bücher