Charons Klaue
Schwert heraus und kam auf Jermander zu. Von der langen Klinge tropfte Spinnensaft. In der linken Hand hielt der Mann einen schmalen Hirschfänger.
Jermander war jedoch kein Anführer, der sich feige im Gebüsch versteckte. Der Schatten war berühmt für seine präzise Klingenführung und scheute nur selten vor einem Kampf zurück. Daher hob er grüßend sein silbernes Schwert und stellte sich dem Angreifer.
»Du gehörst also zu Dahlia, ja?«, fragte er, während er näher kam und sein Schwert vorstieß.
»Nein«, lautete die knappe Antwort. Dabei schlug der kleine Mann hart zu, um Jermanders Eröffnungshieb abzuwehren.
Jermander drehte seine Klinge geschickt los, richtete sie neu aus und griff sogleich wieder an, was von einer Rückhanddrehung des Hirschfängers problemlos gekontert wurde.
Natürlich hatte er damit gerechnet, und so wurde er jetzt schneller – zurückziehen, zustechen, zurückziehen, zustechen, noch einmal zurückziehen, Schwert erheben und schräg nach unten zuschlagen. Er hatte nicht erwartet, dabei zu treffen, und das gelang ihm auch nicht einmal annähernd, aber er verschaffte sich immerhin einen Eindruck von den Fähigkeiten dieses unerwarteten, unbekannten Gegners.
»Und dennoch eilst du ihr zu Hilfe?«, bemerkte der Schatten.
»Ich mag keine Spinnen.«
»Und was hältst du von Elfenfrauen?«, fragte Jermander grinsend. Aber das höhnische Lächeln verging ihm augenblicklich, denn nun schoss der Fremde mit plötzlicher Inbrunst so schnell vor, dass seine Füße und seine Klingen zu verschwimmen begannen.
Jermander wehrte sich mit seinem guten Schwert, mehr noch allerdings mit den Füßen, denn er stellte plötzlich fest, dass er sich erstaunlicherweise auf dem Rückzug befand! Der Krieger von Cavus Dun war in vielen Regionen des Schattenreichs wohlbekannt. Der lange, schlaksige Mann, der sich erschreckend schnell bewegte und ein dünnes Mithril-Schwert führte, das magische Energie ausstrahlte, war in den Rängen der Söldner hoch aufgestiegen. Das hatte er von Anfang an sowohl seinen Kampfkünsten als auch seinen organisatorischen Fähigkeiten und seinem Führungstalent zu verdanken gehabt.
Jetzt jedoch brauchte er seine gesamte Kunst, um die rasenden Hiebe dieses Gegners abzuwehren, und obwohl er wirklich keine Zeit hatte, lange nachzudenken, was hier geschah, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf.
»Du gehörst zu Alegni!«, schrie er durch das Klirren der Schwerter. Noch während er diese Worte aussprach, wusste er, dass sie wahr waren. Dieser Mann war berühmt, sein Aussehen und Auftreten unverkennbar.
Artemis Entreri verzog keine Miene, sondern schlug weiter unbeirrbar auf Jermander ein, dem keine Gelegenheit zum Kontern blieb.
Ratsis wollte gerade seine letzte Spinne auffordern, ihren Netzangriff auf den Neuankömmling zu verlagern, als er und die Wandlerin Jermanders Ausruf hörten, dass dieser unerwartete Gegner zu Alegni gehörte.
Die beiden sahen einander an. Ratsis schluckte.
»Wir handeln den Wünschen eines Nesser-Fürsten zuwider?«, flüsterte die Wandlerin erschrocken.
Auf die Antwort musste sie noch warten, denn jetzt erklang das tiefe Grollen eines Raubtiers.
Die Wandlerin machte große Augen, als sie an Ratsis vorbeiblickte, und ihr Gesicht veranlasste den Söldner, ebenfalls den Kopf zu wenden. So konnten beide den großen schwarzen Panther sehen, der jetzt dort, wo der Drow abgestürzt war, auf dem Bergrücken stand. Ein großer schwarzer Panther, der es offenbar auf sie abgesehen hatte.
»Guenhwyvar!«, rief Dahlia, deren Stimme von den klebrigen Fäden gedämpft wurde.
Ratsis’ Blick ging von der Katze zu Dahlia, dann zu Jermander und Alegnis Kämpfer und wieder zurück zur Wandlerin, die inzwischen den Kopf schüttelte.
»Ich erwartete meinen vollen Anteil«, betonte sie, ehe sie sich in die Schatten und damit in ihre Heimatwelt zurückzog.
Wieder sah Ratsis sich um. Drei von seinen Kameraden waren tot, so dass Dahlias Wert für ihn persönlich gestiegen war. Doch im Widerstreit von Unversehrtheit und Börse erkannte Ratsis schnell, welchen Preis es ihn kosten würde, wenn er sich jetzt von der Gier verlocken ließ.
Er schickte seine verbliebene Spinne gegen die Katze vor, rechnete jedoch nicht ernsthaft damit, dass sie das mächtige Geschöpf aufhalten konnte.
Dann warf er einen letzten Blick auf Dahlia – fertig verpackt und transportbereit.
Zum Greifen nahe.
Aber nicht jetzt, begriff Ratsis, und er war froh, dass auch er die schwierige
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