Charons Klaue
ihm an, worauf Draygo Quick ihn neugierig ansah. Hätte sein Gegenüber gelegen, so hätte Erzgo Alegni den zur Seite geneigten Kopf als Zeichen seines Dahinscheidens interpretiert, so hinfällig wirkte der Greis.
»Sylora Salm ist tot, und den Tayern mangelt es an Führung«, erläuterte Alegni. »Aber sie sind noch nicht vollständig besiegt. Außerdem gibt es noch weitere Parteien in dieser Gegend, zum Beispiel die Bürger von Niewinter, die ich unterworfen habe, oder gewisse Sendboten von anderer Seite. Es wird Zeit für eine echte Machtdemonstration.«
»Du willst noch mehr Soldaten.«
Alegni zuckte mit den Schultern. »Rein vorsorglich.«
»Momentan solltest du in erster Linie deine Position hier sichern, indem du die tötest, die dich jagen«, erwiderte Draygo Quick.
»Allerdings«, versicherte Alegni und griff dabei instinktiv zu Charons Klaue, obwohl das Schwert ihm in letzter Zeit nicht viel über Barrabas den Grauen verraten hatte. »Dennoch … um den Schaden zu mindern, den Effron angerichtet hat …«
»Einhundert«, willigte Draygo Quick ein.
»Drei.« Alegni wollte handeln, aber Draygo Quick schnitt ihm das Wort ab.
»Einhundert.«
Nach einer ebenso höflichen wie klugen Verbeugung zog sich Erzgo Alegni zurück.
»Du weißt, was du zu tun hast?«, sagte Draygo Quick in das scheinbar leere Zimmer.
Hinter einem Wandbehang trat ein elfischer Shadovar in feinen Kniehosen und einem kostbaren Kurzmantel hervor, dessen flacher Hut mit einem edelsteinbesetzten Band geschmückt war. Er trug sein weißes Hemd vorn weit offen, so dass an dem wohlgeformten Hals rechts neben der Luftröhre die ineinander verschlungenen Buchstaben CD zu erkennen waren: Cavus Dun.
»Uns bietet sich hier eine große Chance«, sagte Draygo Quick.
»Und ein großes Risiko«, erwiderte der Elf, Glorfathel. Angesichts der jüngsten Verluste von Cavus Dun erhielten seine Worte mehr Gewicht.
»Davor bewahrst du mich«, sagte der mächtige alte Schwarzmagier.
Der Elf verbeugte sich. »Wie werde ich es erfahren?«
»Ich vertraue deinem Urteil«, versicherte ihm Draygo Quick. »Dieser Teil von Toril, besonders der Wald von Niewinter, ist für uns natürlich wichtig, aber Erzgo Alegni hat es etwas eilig. Und ich will mir mit dem hitzköpfigen Tiefling keine lächerliche Treibjagd liefern müssen.«
»Ich verstehe.«
»Das wusste ich.«
»Hattet ihr euch das wirklich anders vorgestellt?«, fragte Arunika, als sie Jelvus Grinch und ein paar andere einflussreiche Bürger von Niewinter mit den Händen in den Hüften antraf, die alle fassungslos die Mauer anstarrten. Teile der Stadtmauer waren in düsteres Grau getaucht, und an diesen Stellen schienen jetzt magische Schattentore mitten in die Leere zu führen, aus der Nesser-Soldaten strömten – lauter Schatten.
»Ist das eine Invasion?«, fragte Jelvus Grinch die rothaarige Frau.
»Wenn ja, dann solltet ihr daran denken, von hier zu verschwinden«, antwortete eine Stimme von hinten, wo sich eine Zwergin zeigte, an der noch der Staub der Straße hing.
»Und wer, bitte, bist du?«, fragte Jelvus Grinch höflich.
»Amber Gristle O’Maul, zu Diensten«, sagte sie und verneigte sich. »Von den O’Mauls aus Adbar. Mein Freund und ich sind gerade erst angekommen.«
»Dein Freund?«
»Schläft«, antwortete Amber.
»Und woher des Wegs?«
»Aus Luskan – ein schönes Chaos heutzutage!«
»Im Vergleich zu Niewinter das reinste Paradies«, knurrte ein Mann, und einige begannen unsicher zu lachen.
»Tja, jedenfalls habt ihr ein paar Probleme in eurer schönen Stadt, und ich dachte, mein Freund und ich verschwinden lieber schnell wieder.«
»Das solltet ihr auch«, sagte Arunika kühl. »Das hier geht euch nichts an.«
Die Zwergin musterte sie einen Augenblick, dann verbeugte sie sich noch einmal und spazierte davon.
»Warum sollte Erzgo Alegni in eine Stadt einmarschieren, die er bereits besitzt?«
Grinch bedachte Arunika mit einem wütenden Blick. »Du hast bei seinem Aufstieg keine geringe Rolle gespielt«, erinnerte er sie. »Als er damals kam, hast du angedeutet, er könnte unsere große Hoffnung sein.«
»Mit dem Tod von Sylora Salm konnten wir nicht rechnen«, gab Arunika zu. »Jedenfalls nicht auf diese Weise. Nachdem das Gegengewicht der Tayer fehlt …«
»Bleibt nur noch Alegni mit den Nesserern«, beendete Jelvus Grinch den Satz.
»Das ist nicht ganz richtig«, wandte Arunika ein. »Ich gehe davon aus, dass noch andere Parteien im Spiel sind.«
»Wenn du es
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