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Charons Klaue

Charons Klaue

Titel: Charons Klaue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Salvatore
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sehen, und in dieser Offenheit, ganz ohne seine Geheimnisse, fühlte er sich … frei.
    Das war kein Feind.
    Das war die Erlösung!
    Doch Entreri, der stets auf der Hut war, schreckte instinktiv davor zurück. Kein Wunder! Er, der ein Leben voller Lügen hinter sich hatte, sogar sich selbst belogen hatte, der hinter den Schleiern von Halbwahrheiten und Leugnen existiert hatte, fühlte sich plötzlich abgestoßen – doch nicht nur von dieser Kreatur so wie bei Charons Klaue, sondern vor allem innerhalb dieser kollektiven »Familie«, die dieses Wesen ihm gerade anbot.
    Seine inneren Schranken klappten hoch, ohne dass er einen bewussten Gedanken dazu brauchte.
    Dennoch überfluteten ihn die Erinnerungen: die Kindheit, um die ihn seine Mutter betrogen hatte, der endgültige Verrat durch seinen Onkel und jene anderen, den Abschaum von Calimhafens Straßen.
    Er fühlte eine Grenzüberschreitung, wie er sie als Kind erlebt hatte, von der schlimmsten und anhaltendsten Art. Wieder musste er sich ihr stellen oder versuchte es zumindest, aber da bemerkte er etwas … etwas völlig Unerwartetes.
    Die Überraschung riss Entreri aus seinem Sinnen, denn er warf einen Blick auf Dahlia und sie einen Blick auf ihn.
    Entblößt, vereint und ohne jedes Versteck.
    Seine Gedanken waren frei zugänglich.
    Aber im Gegensatz zu seinen Begleitern kannte Drizzt Do’Urden derartige Einflüsterungen und durchschaute praktisch sofort, durch welche Tricks sie hier versklavt werden sollten.
    In seiner Wanderzeit im Unterreich, nachdem er Menzoberranzan verlassen hatte, war Drizzt ebenso verführt worden. Mit logischen Versprechungen und Visionen von einem wunderbar sorglosen, paradiesischen Leben hatten die bösen Illithiden, die verfluchten Gedankenschinder, Drizzt verführt, bis er und seine Kameraden die Gehirne der Illithiden-Kolonie gehorsam liebevoll massiert hatten.
    Er hatte diesen Weg also schon einmal beschritten, war ihm zum Opfer gefallen und hatte dabei seine Identität verloren. Da Drizzt sich geschworen hatte, sich nie wieder derart versklaven zu lassen, hatte er sich beigebracht, solchen Versuchen zu widerstehen – durch eine Wand aus Zorn. Angesichts seiner schrecklichen Erfahrungen fiel es dem Drow daher nicht schwer, diese Wand aufzutürmen.
    Langsam und kaum merklich griff er in seinen Beutel und zog die Onyxfigur daraus hervor, um insgeheim nach Guenhwyvar zu rufen. Wie seine hypnotisierten Gefährten senkte er dabei die Waffen und begann, langsam und friedlich auf das mächtige Geschöpf zuzugehen. Jeder Schritt fiel ihm schwer, denn hier war der Bann wahrhaft stark. Drizzt hatte unter Schmerzen gelernt, wie man ihm widerstand, und doch zweifelte er an seiner Widerstandskraft.
    Oder, schlimmer noch, an seiner Fähigkeit zu widerstehen, ohne sich zu verraten.
    Er sah die vielen Bilder, die ihn umwaberten, und wenn seine Disziplin einen Augenblick nachgelassen hätte, hätten ihn die tiefsten Geheimnisse seiner Begleiter vielleicht überrascht, besonders die von Dahlia und ganz besonders das, das ihn tot auf dem Stapel ihrer getöteten Liebhaber zeigte.
    Doch um diese Bilder wahrzunehmen, hätte er ebenfalls seine Gedanken freigeben müssen, und dann wäre auch er in dem telepathischen Netz gefangen gewesen.
    Deshalb blieb er hinter seiner Mauer, die mit jedem Schritt stabiler wurde. Er dachte an die schlimme Zeit bei den Illithiden. Damals hatte ihn nur eines gerettet.
    Er spürte, wie er sich selbst entglitt, wie die Tentakel eines anderen Geistes, jener gottähnlichen Schlange, nach seinen tiefsten Gedanken griffen.
    Er dachte an Catti-brie und Bruenor, an Belwar und Clacker, an Zaknafein und Regis und Wulfgar, an verlorene Freunde und an jene, die ihn zu dem gemacht hatten, der er war. Dieser Eindringling würde ihn all seiner Erinnerungen berauben, bläute er sich immer wieder ein, um die Wand seines Zorns zu festigen.
    Denn ohne diese Erinnerungen hatte Drizzt Do’Urden nichts mehr.
    Seine Schritte wurden langsamer, doch er hielt die Klingen gesenkt, weil er sie nicht heben konnte. Am Rand seines Gesichtsfelds sah er rechts und links, dass Entreri und Dahlia ihn misstrauisch, ja drohend beobachteten.
    Die Schlangengottheit hatte seinen Widerstand und sein Täuschungsmanöver bemerkt, das wusste er. Sie würde seine eigenen Kameraden gegen ihn ins Feld schicken.
    »Nein!«, schrie Drizzt. Es war ein letztes Aufbäumen, und damit wich er zurück und riss seine Waffen hoch. Dahlia und Entreri gingen sofort auf ihn los,

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