Charons Klaue
Dahlia lebend.«
»Sie muss sterben!«, beharrte Effron, obwohl ihn seine eigenen Worte verwunderten, besonders der Nachdruck darin. Er hatte sich lange eingeredet, dass er mit dieser Elfe reden wollte, ihr Fragen stellen, die nur sie beantworten konnte. Aber dann, im Augenblick der Wahrheit, hatte er keinerlei Gnade empfunden.
»Zu gegebener Zeit«, antwortete Alegni.
Dieser Gedanke, der Alegni offenbar so zusagte, irritierte Effron merkwürdigerweise. Er wollte Dahlias Tod, und insbesondere wollte Effron selbst derjenige sein, der den Todesstoß führte, aber der Gedanke, dass man sie erst fangen und quälen würde …
Eigentlich hätte dies eine erfreuliche Vorstellung sein müssen, doch erstaunlicherweise war sie das nicht.
»Geh!«, sagte Alegni zu ihm, und als Effron den Tiefling ansah und dessen herrischen Ton registrierte, merkte er, dass dieser den Befehl wiederholt hatte, wahrscheinlich sogar schon mehrfach.
Effron rannte davon, fiel beinahe die Treppe hinunter und stieß auf dem ersten Absatz um ein Haar mit einem Mann und einer Frau im Nachthemd und dem Wirt zusammen.
»Immer langsam. Gibt es ein Problem?«, wollte der Wirt wissen.
Effron sah sich nach Alegnis Tür um. »Fragt ihn«, antwortete er und lachte.
Denn er verstand Alegnis Erregung, teilte diese Erregung. Wenn der Wirt und die zwei anderen Dummköpfe jetzt nach oben gingen und sich über das Loch in der Decke beschwerten, würde Erzgo Alegni sie in Stücke hacken.
Der Osthimmel wurde langsam hell. Das würde ein herrlicher, unvergesslicher Tag werden.
»Die Sonne geht bald auf«, sagte Drizzt hinter der Ecke des Kriechtunnels, in den er gerade eingedrungen war. Die anderen konnten ihn kaum verstehen, so laut rauschte das Wasser um sie herum.
»Dann kommt er auf seine Brücke«, sagte Entreri. »Bei Sonnenaufgang ist er immer auf der Brücke. Er sieht nach Westen, zum Meer hin, und wirft einen langen Schatten auf den Fluss. Wahrscheinlich kommt er sich dann wie ein echter Herrscher vor.«
Dahlia antwortete nicht. Sie sah ihn nicht einmal an, sondern wollte ebenfalls in den Tunnel steigen, dessen Öffnung in Brusthöhe ansetzte. Zu ihrem Ärger musste sie jedoch zurückweichen, weil Drizzt wieder herausrutschte. Er kam mit den Füßen voran und prüfte nun den breiteren Durchgang daneben.
»Meint ihr, ihr schafft das?«, fragte der Drow die bisherigen Sklaven des Abolethen.
Die beiden, die ihre schwer verletzte Begleiterin schleppten, wechselten einen zweifelnden Blick.
»Das ist nicht nötig«, warf Entreri ein. »Ich weiß jetzt wieder, wo wir sind. Wenn sie diesen breiteren Tunnel nehmen, finden sie einen leichteren Ausgang, weiter hinten im Bereich der nördlichen Stadtmauer.«
Drizzt sah den Mann nachdenklich an, aber Entreri war bereits in den Kriechtunnel geschlüpft.
»Dann begleiten wir sie«, entschied der Drow. »Es gibt noch andere Gefahren hier unten …«
»Das steht dir frei«, sagte Entreri, der jetzt auf dem Zugang zum Kriechtunnel saß und sich umschaute. Er bot Dahlia eine Hand an, die sofort zugriff und hochsprang, als Entreri sie in den kleinen Durchgang zog. Er ließ ihr sogar den Vortritt.
»Das ist unsere Chance«, sagte er. »Wahrscheinlich die einzige Chance, Alegni ohne größere Eskorte anzutreffen.«
»Wir können sie nicht sich selbst überlassen.«
»Ich schon«, erwiderte Entreri. »Es wird heller.« Er musterte den Tunnel, und obwohl er noch nicht um die Kurve gebogen war, wurde es darin tatsächlich heller. »Alegni wartet den Tagesanbruch ab, dann geht er. Wir haben keine Zeit, ganz bis zur Nordmauer zu gehen und ihn später zu erwischen. Und wenn wir dort herauskommen, fällt ein Dutzend Shadovar über uns her.«
»Sie haben keine Waffen«, murrte Drizzt.
»Dann gib ihnen deine«, erwiderte Entreri und folgte Dahlia in den Tunnel.
Drizzt sah die drei Menschen an.
»Geh«, sagte der Mann. »Tu, was du tun musst. Du hast schon genug für uns getan. Wir sind dir dankbar und werden es dir nicht vergessen.«
»Wir werden uns revanchieren«, fügte Genevieve hinzu.
Der Drow massierte sein Gesicht und überlegte, aber schließlich sprang er doch wieder in den Kriechtunnel und eilte den anderen nach.
Wenn er gewusst hätte, dass Entreri gelogen hatte, dass der Mann keine Ahnung von den Himmelsrichtungen hatte oder wo der breitere Tunnel hinführte, in den er die drei gerade geschickt hatte, hätte Drizzt es sich anders überlegt.
Der Kriechtunnel endete an einem alten Eisengitter, von dem
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