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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Die Seuche macht mir immer noch Sorgen. Glauben Sie wirklich, dass wir hier in Gefahr sind?«
    »Es heißt, Spuren des Virus wären nach wie vor im Umlauf. Haben Sie Implantate, Quirrenbach?« Er sah mich verständnislos an, also fuhr ich fort: »Schwester Amelia – die Frau, die mich im Hospiz betreute – sagte mir, man würde dort manchmal den Einwanderern die Implantate entfernen, aber was sie damit meinte, verstehe ich erst jetzt.«
    »Verdammt«, sagte er. »Ich hätte sie mir im parkenden Schwarm herausnehmen lassen sollen. Ich wusste es doch. Aber ich habe gezögert – die Leute, die sich dazu bereit erklärten, waren mir nicht recht geheuer. Und jetzt muss ich mir in Chasm City irgendeinen blutigen Schlächter suchen.«
    »Es gibt sicher genügend Leute, die Ihnen dabei gern behilflich sind. Wie es der Zufall will, hätte ich genau mit denen auch ein Wörtchen zu reden.«
    Der kleine, untersetzte Mann kratzte sich den Kopf mit den kurzen Stoppeln. »Ach, Sie auch? Dann wäre es ja wirklich sinnvoll, gemeinsam zu reisen!«
    Ich wollte gerade antworten – irgendetwas, nur um ihn loszuwerden –, als sich ein Arm um meine Kehle legte.
    Ich wurde rückwärts vom Stuhl gerissen und schlug schmerzhaft auf dem Boden auf. Wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm entwich die Luft aus meinen Lungen. Ich war einer Ohnmacht nahe und so außer Atem, dass ich mich kaum bewegen konnte, obwohl jede Faser meines Körpers schrie, ich solle flüchten.
    Doch da beugte sich Vadim schon über mich und setzte mir das Knie auf die Brust.
    »Hast nicht errwarrtet, Vadim wiederrzusehen, Meera-Bell? Tut dirr jetzt Leid, dass du Vadim damals nicht töten?«
    »Ich habe nicht…« Ich konnte den Satz nicht vollenden, denn ich hatte keine Luft mehr in den Lungen. Vadim betrachtete mit gut gespielter Langeweile seine Fingernägel. Mir wurde allmählich schwarz vor Augen, aber ich bekam noch mit, dass Quirrenbach etwas seitlich von mir stand und eine andere Gestalt ihm die Hände hinter dem Rücken festhielt. Die anderen Passanten sah ich nur verschwommen. Vadims Überfall erregte offenbar keinerlei Aufsehen.
    Er verringerte den Druck auf meine Brust. Ich konnte wieder atmen.
    »Du hast nicht was?«, fragte Vadim. »Los, sag schon! Ich bin ganz Ohrr.«
    »Du kannst froh und dankbar sein, Vadim, dass ich dich nicht getötet habe. Und das weißt du auch genau. Aber ich wollte mir an einem Dreckskerl wie dir die Hände nicht schmutzig machen.«
    Er lächelte grausam und drückte mir erneut das Knie gegen den Brustkorb. Ich fing allmählich an, meine Meinung über ihn zu revidieren. Seit ich sah, dass er einen Komplizen hatte – den Mann, der Quirrenbach festhielt –, fand ich die Geschichte von einem größeren Netz von Partnern etwas glaubwürdiger.
    »Drrreckskerl, wie? Aber du warrrst dirrr nicht zu gut dafür, meine Uhr abzustauben, du elender kleiner Dieb.« Er fummelte so lange an dem Armband herum, bis er mir die Uhr mit triumphierendem Grinsen abnehmen konnte. Dann hielt er sie sich so dicht vor die Augen wie ein Uhrmacher, der die Bewegung eines winzigen Rädchens studierte. »Hoffentlich hast du mir keine Kratzer…«
    »Du kannst sie gern zurückhaben. Sie passt sowieso nicht zu mir.«
    Vadim streifte sich die Uhr über das Handgelenk, drehte sie hin und her und bewunderte sie wie einen wiedergefundenen Schatz. »Gut. Hast du sonst noch was zu sagen?«
    »Etwas schon.«
    Ich hatte nicht versucht, ihn wegzustoßen, deshalb hatte er nicht auf meinen zweiten Arm geachtet. Dabei hatte ich die Hand in die Tasche gesteckt, als ich vom Stuhl fiel, und sie seither nicht wieder herausgenommen. Vadim mochte gewisse Kontakte haben, aber er war seit unserem Gerangel auf dem Shuttleboot ganz sicher nicht zum Profi geworden.
    Jetzt zog ich die Hand heraus, so schnell und fließend wie eine zustoßende Hamadryade. Darauf war Vadim nicht vorbereitet.
    In der Faust hielt ich eins von seinen schwarzen Empirika. Er spielte perfekt mit – als sich mein Arm nach oben bewegte, drehte er um eine Winzigkeit den Kopf, gerade so weit, dass das mir zugewandte Auge in Reichweite kam. Das Auge war vor Überraschung weit aufgerissen und bot ein leichtes Ziel. Es war fast, als wollte er mir bei meinem Vorhaben behilflich sein.
    Ich stieß ihm den schwarzen Stab ins Auge.
    Ich weiß noch, dass ich mich fragte, ob das eine Auge in Wirklichkeit nicht aus Glas wäre, doch als die weiße Spitze des Empirikums eindrang, wusste ich, dass es nur glasig ausgesehen

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