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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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in Acht nehmen.«
    »Wie kommen wir hinein? Mich kriegst du nicht in dieses Wasser, auch wenn das Kopfgeld noch so hoch ist.«
    »Ich habe die Baupläne für dieses Haus. Es gibt einen zweiten Eingang auf der anderen Seite. Aber wir müssen uns beeilen. Skamelson ist mit seinem Trupp nur eine Straße weiter, und sie haben die besseren Spürer.«
    Ich wälzte mich vom Sims und schlich zum Fuß der Treppenruine. Sie war näher als ich dachte, ich hatte mich in der Entfernung verschätzt. Aber ich konnte sie mit jedem Schritt deutlicher erkennen. Sie führte zehn bis fünfzehn Meter weit nach oben, bevor sie in der Decke verschwand, die durchsackte wie ein Stück Teig und eher an ein Zwerchfell erinnerte als an ein Bauelement.
    Trotz meiner scharfen Augen konnte ich nicht feststellen, wie nahe meine Verfolger waren und wie weit ich mich auf die Treppe verlassen konnte. Wenn sie unter mir zusammenbrach, würde ich zwar ins Wasser stürzen, aber es war so seicht, dass ich mit Verletzungen rechnen musste.
    Dennoch machte ich mich an den Aufstieg. Wo das Geländer noch vorhanden war, zog ich mich über morsche oder fehlende Stufen hinweg. Die Treppe knarrte bedenklich, aber ich ließ mich nicht abschrecken – auch nicht, als eine Stufe unter meinem Gewicht durchbrach und die Teile ins Wasser stürzten.
    Unter mir wurde es hell, dann stiegen schwarz gekleidete Gestalten durch ein Loch in der Wand und wateten durch das Wasser. Ich sah sie ganz deutlich: es waren Fischetti und Sybilline, beide maskiert und mit genügend Waffen für einen kleineren Krieg versehen. Ich hatte den Treppenabsatz erreicht und blieb stehen. Zu beiden Seiten war es dunkel, aber allmählich kristallisierten sich Formen aus der Schwärze heraus wie sich manifestierende Phantome. Vielleicht hielt ich mich besser nach links oder nach rechts, anstatt weiter nach oben zu steigen – ich musste mich schnell entscheiden, und ich wollte nicht in einer Sackgasse landen.
    Dann bewegte sich etwas in der Dunkelheit, eine geduckte Gestalt. Zuerst dachte ich, es wäre ein Hund, doch dafür war sie viel zu groß, und das Gesicht erinnerte eher an ein Schwein. Das Wesen stellte sich auf die Hinterbeine und richtete sich auf, so weit die niedrige Decke das zuließ. Vom Körperbau her war es annähernd menschlich, aber die Hände endeten nicht in Fingern, sondern in fünf langgezogenen Schweinehufen, und damit hielt es eine Armbrust, die bedrohlich aussah. Der Körper steckte in einem Wams aus Lederflicken und unregelmäßigen Metallplatten, das einer mittelalterlichen Rüstung nachempfunden schien. Das Gesicht war blass und haarlos und zeigte eine Mischung von so vielen menschlichen und schweinischen Zügen, dass einem vor dem Anblick angst und bange werden konnte. Die Augen waren zwei unergründliche schwarze Löcher, und das Maul war zu einem gierigen Grinsen erstarrt. Dahinter näherten sich, auf allen vieren, zwei weitere Schweine. Durch die Krümmung der Hinterbeine fiel ihnen der aufrechte Gang offenbar ziemlich schwer.
    Ich stieß einen Schrei aus und trat zu. Mein Fuß traf mitten in das Schweinegesicht. Das Vieh taumelte mit wütendem Schnauben nach hinten und ließ die Armbrust fallen. Aber auch seine Artgenossen waren bewaffnet, sie hatten lange, krumme Messer. Ich brachte die Armbrust rasch an mich und hoffte nur, dass sie auch funktionierte.
    »Zurück mit euch! Verdammt, lasst mich in Frieden!«
    Das Schwein, das ich getreten hatte, stellte sich wieder auf die Hinterbeine. Es bewegte den Unterkiefer, als wollte es sprechen, aber ich hörte nur eine Reihe von schniefenden Geräuschen. Dann streckte es die Hufe nach mir aus und fuhrwerkte mir damit vor dem Gesicht herum.
    Ich löste die Armbrust aus; der Bolzen fuhr dem Schwein ins Bein.
    Es quiekte auf, wich zurück und fasste dabei nach dem Bolzen. Das Blut, das aus der Wunde quoll, war so rot, dass es förmlich leuchtete. Die beiden anderen Schweine kamen auf mich zu, aber ich schlurfte zurück. Ohne die Armbrust loszulassen, zog ich einen neuen Bolzen aus dem Reservoir im Schaft, legte ihn ein und betätigte den Spann-Mechanismus. Die Schweine hoben ihre Messer, kamen aber nicht näher. Dann zerrten sie ihren verletzten Gefährten mit erbostem Schnauben ins Dunkel zurück. Ich stand einen Moment lang wie erstarrt, dann setzte ich den Aufstieg fort. Ich konnte nur hoffen, die Lücke in der Decke zu erreichen, bevor mich die Schweine oder die Jäger einholten.
    Fast hätte ich es geschafft.
    Sybilline

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