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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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bekannt ist.« Sie sprach weiter, bevor ich mich erkundigen konnte, woher sie das alles erfahren hatte. »Wir wissen allerdings nicht, ob das eine sorgfältig konstruierte Identität ist, die einem verborgenen Zweck dient. Warum haben Sie sich fangen lassen, Tanner?«
    »Ich war neugierig«, sagte ich. »Ich wusste nicht viel über die sozialen Schichten auf Yellowstone. Ich wollte in den Baldachin, und ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte, ohne jemanden zu bedrohen.«
    »Das ist verständlich. Es gibt keinen Weg.«
    »Wie haben Sie das alles herausgefunden?«
    »Durch Waverly.« Sie sah mich nachdenklich an und kniff ein tiefschwarzes Auge zu, sodass sich die Streifen auf dieser Gesichtshälfte kräuselten. »Ich weiß nicht, ob er sich vorgestellt hat, aber Waverly war der Mann, der Sie mit dem Betäubungsstrahl außer Gefecht gesetzt hat.«
    »Sie kennen ihn?«
    Sie nickte. »Er ist einer von uns – zumindest sympathisiert er mit uns, und wir haben Mittel und Wege, um uns seine Kooperation zu sichern. Er hat in gewissen Dingen einen ganz eigenen Geschmack.«
    »Mir sagte er, er sei ein Sadist, aber das hielt ich nur für einen Scherz.«
    »Es war kein Scherz, glauben Sie mir.«
    Eine Schmerzwelle raste durch mein Bein. Ich zuckte zusammen. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    »Von Waverly. Bis dahin hatten wir nie von einem Tanner Mirabel gehört. Aber als wir den Namen hatten, konnten wir alle Ihre Stationen zurückverfolgen und verifizieren. Sonst hat er nicht viel herausbekommen. Entweder hat er uns belogen – was ich nicht ausschließen möchte; es ist nicht so, dass ich dem einäugigen Bastard blind vertrauen würde – oder Ihre Erinnerungen sind wirklich sehr wirr.«
    »Ich hatte eine Reanimationsamnesie. Deshalb war ich bei den Bettlern.«
    »Waverly hielt es wohl für eine tiefer gehende Störung. Er dachte, Sie hätten vielleicht etwas zu verbergen. Könnte das sein, Tanner? Wenn ich Ihnen helfen soll, wäre es nützlich, wenn ich Ihnen vertrauen könnte.«
    »Ich bin der, für den Sie mich halten«, sagte ich. Mehr konnte ich ihr zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Merkwürdig war nur, dass ich selbst nicht wusste, ob ich mir trauen konnte.
 
    Dann passierte etwas Sonderbares: ein harter, scharfer Schnitt durchtrennte mein Denken. Ich war nach wie vor bei Bewusstsein; ich wusste, dass ich mit Zebra in ihrer Gondel saß, dass wir durch das nächtliche Chasm City fuhren, und dass sie mich vor Sybillines Jagdgesellschaft gerettet hatte. Ich spürte den Schmerz in meinem Bein – obwohl er sich inzwischen zu einem dumpfen Pochen abgeschwächt hatte, unangenehm, aber nur auf diese eine Stelle konzentriert.
    Doch zugleich offenbarte sich mir ein Stück von Sky Haussmanns Leben.
    Bisher waren die Episoden immer dann gekommen, wenn ich nicht bei mir war, wie inszenierte Träume, doch diesmal war die fertige Szene wie eine Bombe in meinem Bewusstsein explodiert. Es war erschreckend, verwirrend, denn sie unterbrach meinen Gedankenfluss so abrupt, als sei ein elektromagnetischer Impuls in ein Computersystem gefahren.
    Zum Glück war die Episode nicht sehr lang. Sky war noch immer bei Balcazar (du lieber Himmel – nun prägte ich mir auch noch die Namen der Nebendarsteller ein); und sie flogen immer noch durch das All zur Sitzung – dem Spitzengespräch – auf dem anderen Schiff, der Palästina.
    Was war beim letzten Mal geschehen? Ach ja – Balcazar hatte Sky von dem sechsten Schiff, dem Gespensterschiff erzählt.
    Dem Schiff, das Norquinco Caleuche genannt hatte.
    Bis Sky sich mit dieser Eröffnung auseinander gesetzt und sie aus jedem möglichen Blickwinkel betrachtet hatte, waren sie fast da. Die Palästina ragte riesig vor ihnen auf, sie hatte große Ähnlichkeit mit der Santiago – alle Schiffe der Flottille hatten mehr oder weniger die gleiche Form –, nur waren die Verfärbungen an ihrem rotierenden Rumpf nicht ganz so ausgedehnt. Sie war sehr viel weiter entfernt gewesen, als die Islamabad explodierte, und der Energiestoß hatte sich, wie bei jeder Strahlung, invers zum Quadrat der Entfernung abgeschwächt, bis an Stelle des tödlichen Hitzeschwalls, der den Schatten seiner Mutter auf die Haut seines eigenen Schiffes gebrannt hatte, nur noch ein warmer Wind zu spüren war. Natürlich hatte man auch hier Probleme gehabt. Ausbrüche von Virusinfektionen, Psychosen, Meutereien, und von den Schläfern waren ebenso viele gestorben wie auf der Santiago. Sky dachte an die tote Last; die kalten

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