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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sogar in den Mulch, um Videoaufzeichnungen von einer Jagd in den Baldachin zu bringen, wo die spektakulärsten Bilder prämiert wurden. Einfache Spielregeln – auf deren Einhaltung strenger geachtet wurde als bei den juristischen Bestimmungen, die in der Stadt noch gültig waren – steckten den Rahmen ab, in dem sich die Jagd bewegte, und legten fest, welche Spürgeräte und Waffen erlaubt waren und wie ein Opfer waidgerecht getötet wurde.
    »Die Sache hat nur einen Haken«, sagte ich. »Ich stamme nicht aus dem Mulch. Ich kenne mich in Ihrer Stadt nicht aus. Ich weiß nicht, ob sich der Einsatz für Sie lohnen wird.«
    »Ach, das kriegen wir schon hin. Sie bekommen einen angemessenen Vorsprung vor den Jägern. Ehrlich gesagt ist es für uns sogar von Vorteil, dass Sie nicht von hier sind. Die Einheimischen kennen viel zu viele Abkürzungen und Schlupflöcher.«
    »Wie unsportlich. Waverly, Sie sollten allerdings eines wissen.«
    »Ja?«
    »Ich werde zurückkommen und Sie töten.«
    Er lachte. »Tut mir Leid, Mirabel, aber das haben schon viele gesagt.«
    Die Gondel landete, die Tür ging auf, und er forderte mich zum Aussteigen auf.
 
    Ich rannte los, sobald die Scheinwerfer abgeblendet wurden und die Gondel sich zum Baldachin emporschwang. Noch während sie als dunkler Fleck vor den milchigweißen Lichterketten nach oben schwebte, senkten sich wie ein Schwarm Glühwürmchen weitere Gondeln herab. Sie kamen nicht direkt auf mich zu – das wäre unsportlich gewesen –, aber sie steuerten zielsicher die Region des Mulch an, in der ich mich befand.
    Das Große Spiel hatte begonnen.
    Ich rannte weiter.
    Wenn der Teil des Mulch, wo der Rikschajunge mich abgesetzt hatte, eine schlechte Gegend war, dann hatte dieses Viertel noch eine andere Eigenschaft: es war so entvölkert, dass man es nicht einmal als eigentlich gefährlich bezeichnen konnte – es sei denn, man wäre das unfreiwillige Opfer einer nächtlichen Jagd. In den unteren Etagen der Gebäude brannte kein Feuer, und die Slum-Krusten wirkten unbewohnt und verwahrlost, halb verfallen und nicht zugänglich. Die Straßen waren in noch schlechterem Zustand als die bisherigen, die ich benützt hatte, ihre Beläge waren aufgeweicht und rissig, oft endeten sie über einem Wassergraben in der Luft oder verschwanden einfach in den Fluten. Es war dunkel, und ich musste bei jedem Schritt aufpassen, wo ich hintrat.
    Waverly hatte mir einen Gefallen getan, als er bei der Abfahrt die Innenbeleuchtung ausschaltete. Dadurch hatten sich wenigstens meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Aber meine Dankbarkeit hielt sich in Grenzen.
    Im Laufen beobachtete ich über die Schulter hinweg, wie die Gondeln immer tiefer sanken und schließlich hinter den nächsten Gebäuden verschwanden. Jetzt waren sie schon so nahe, dass ich sehen konnte, wer darin saß. Ich war davon ausgegangen, dass ich es nur mit dem Mann und der Frau zu tun hätte, aber das war ganz offensichtlich ein Irrtum gewesen. Vielleicht waren sie – nach den Regeln der Organisation – nur an der Reihe gewesen, ein Opfer zu suchen, und ich war ihnen blindlings in die Arme gelaufen.
    Soll ich so sterben?, dachte ich. Im Krieg hatte ich Dutzende von Malen dem Tod ins Auge gesehen; und als ich für Cahuella arbeitete, war es nicht anders gewesen. Reivich hatte mindestens zwei Mordanschläge auf mich verübt und in beiden Fällen beinahe Erfolg gehabt. Aber wenn ich diese Begegnungen mit dem Tod nicht überlebt hätte, so hätten mir meine Gegner doch immerhin einen gewissen Respekt abgenötigt. Ich hätte mich in dem Gefühl, aus freien Stücken den Kampf aufgenommen zu haben, in mein Schicksal gefügt.
    Doch hier hatte ich nichts mitzureden gehabt.
    Du brauchst ein Versteck, dachte ich. Ich war von Gebäuden umgeben, auch wenn ich auf Anhieb keine Möglichkeit sah, ins Innere zu gelangen. Wenn ich erst drinnen war, wäre ich in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, blieb ich aber draußen, dann böte ich den Jägern immer wieder ein leichtes Ziel. Und ich klammerte mich an die – durch nichts gestützte – Vorstellung, der implantierte Sender könnte weniger gut funktionieren, wenn ich mich versteckte. Außerdem vermutete ich, ein Nahkampf sei nicht ganz das Finale, das meine Verfolger im Sinn hatten; sie würden mich lieber aus der Ferne erschießen, während ich offenes Gelände überquerte. Wenn dem so war, wollte ich ihnen die Suppe nur allzu gern versalzen, auch wenn mir das nur wenige Minuten

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