Chasm City
zusammen. Quirrenbach brauchte sich seine Implantate nicht entfernen zu lassen, weil sie ihm – falls er jemals welche gehabt hatte – schon vor Jahren während der Seuche entfernt worden waren. Quirrenbach kam gar nicht von Grand Teton. Er kam überhaupt nicht von außerhalb des Systems. Er war ein Einheimischer. Jemand hatte ihn angeworben, damit er mir folgte und herausfand, wie ich tickte.
Er hatte für Reivich gearbeitet.
Reivich war vor mir nach Chasm City gekommen, er war schon hierher unterwegs gewesen, als die Eisbettler noch dabei waren, die Scherben meines Gedächtnisses zu kitten. Ein paar Tage Vorsprung waren nicht viel, aber sie hatten ihm offensichtlich genügt, um sich Unterstützung zu suchen. Vielleicht war Quirrenbach seine erste Anlaufstelle gewesen. Quirrenbach war anschließend in den Orbit zurückgekehrt und hatte sich unter die neu angekommenen Einwanderer von außerhalb des Systems gemischt. Sein Auftrag lautete schlicht und ergreifend: Überprüfe alle reanimierten Fahrgäste der Orvieto und stelle fest, wer davon als gedungener Killer infrage käme.
Ich rief mir in Erinnerung, wie alles angefangen hatte.
Zuerst hatte mich Vadim im Gemeinschaftszentrum der Strelnikov belästigt. Ich hatte ihn abgeschüttelt, und nur wenige Minuten später hatte ich beobachtet, wie er Quirrenbach zusammenschlug. Ich war durch das Gemeinschaftszentrum geschwebt, hatte Vadim gezwungen, von Quirrenbach abzulassen, und hatte dann meinerseits Vadim verprügelt. Ich glaubte noch zu hören, wie Quirrenbach mich angefleht hatte, ihn nicht zu töten.
Damals hatte ich ihn noch für besonders gutmütig gehalten.
Etwas später hatte ich mich mit Quirrenbach in Vadims Kabine geschlichen. Wieder sah ich vor mir, mit welchen Hemmungen Quirrenbach anfangs Vadims Sachen durchsuchte – wie er die Moral meines Handelns infrage stellte. Und wie schnell er auf meine Vorhaltungen hin umgeschwenkt und selbst zum Dieb geworden war.
Ich hatte die ganze Zeit über vor lauter Bäumen den Wald nicht gesehen: ich hatte nicht gemerkt, dass Quirrenbach und Vadim zusammenarbeiteten.
Quirrenbach hatte eine Möglichkeit gesucht, um an mich heranzukommen und mehr über mich in Erfahrung zu bringen, ohne mich misstrauisch zu machen. Deshalb hatten mir die beiden dieses Theater vorgespielt. Vadim hatte Quirrenbach im Gemeinschaftszentrum zwar ohne Zweifel verletzt, aber nur, um den Kampf überzeugender zu machen. Die beiden mussten gewusst haben, dass ich in dieser Situation nicht würde widerstehen können, noch dazu, nachdem ich kurz zuvor selbst mit Vadim aneinander geraten war. Später bei dem Überfall im Karussell war Quirrenbach von dem zweiten Mann festgehalten worden und hatte zugesehen, wie Vadim seine Wut an mir ausließ.
Spätestens da hätte ich das Spiel durchschauen müssen.
Quirrenbach hatte sich an mich gehängt, das bedeutete, er musste ein Profi sein, um mich unter all den vielen Passagieren auf dem Schiff herauszufinden – aber dieser Schluss war nicht zwingend. Vielleicht hatte Reivich insgesamt ein halbes Dutzend Agenten auf die Passagiere angesetzt, und jeder hatte eine andere Masche angewendet, um an sein Zielobjekt heran zu kommen. Der Unterschied war nur, dass die anderen die falsche Person beschatteten und Quirrenbach – Glück, Intuition oder Logik – ins Schwarze getroffen hatte. Aber er konnte nicht sicher gewesen sein. Bei allen unseren Gesprächen hatte ich mich gehütet, irgendetwas preiszugeben, was mich als Cahuellas Sicherheitsexperten ausgewiesen hätte.
Nun versuchte ich, mich in Quirrenbachs Lage zu versetzen.
Es musste für ihn und Vadim sehr verlockend gewesen sein, mich zu töten. Aber das konnten sie nicht tun; nicht, bevor sie Gewissheit hatten, dass ich der echte Killer war. Hätten sie mich gleich getötet, sie hätten nie mit Sicherheit sagen können, ob sie den Mann erwischt hatten, hinter dem sie her waren – der Zweifel hätte sie immer verfolgt.
Also hatte Quirrenbach wahrscheinlich beschlossen, mich so lange wie nötig zu beschatten; so lange, bis sich ein Muster zeigte; bis sich herausstellte, dass ich aus irgendwelchen Gründen hinter einem Mann namens Reivich her war. Der Besuch bei Dominika war ein wesentlicher Teil seiner Tarnung gewesen. Wahrscheinlich war ihm nicht klar gewesen, dass ich als Soldat keine Implantate hatte und daher die Dienste der guten Madame nicht in Anspruch zu nehmen brauchte. Aber er hatte Gelassenheit bewahrt – hatte mir sogar seine Habe
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