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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Beispiel zu folgen. Für einen Moment standen sie fast im Dunkeln. Sky überlief ein Schauer, die alte, nie ganz überwundene Angst vor der Finsternis, die noch aus seinen Kindertagen stammte, kroch wieder in ihm hoch. Doch dann gewöhnten sich seine Augen an die herrschenden Lichtverhältnisse, und es war fast, als würden die Lampen noch brennen. Sogar noch besser, denn der blassgelbe Schein reichte weit nach vorne und erhellte den Tunnelschacht auf mehr als zwanzig Meter.
    »Sky? Da ist noch etwas.«
    »Was?«
    »Ich habe plötzlich das Gefühl, es geht bergab.«
    Sky wollte lachen; wollte Norquinco über den Mund fahren, doch dann spürte er es selbst. Etwas drückte seinen Körper deutlich gegen eine Seite des Schachts. Zunächst war die Kraft noch schwach, doch als er weiter kroch (und jetzt war es wirklich nur ein Kriechen) wurde sie stärker, und bald fühlte er sich fast wieder wie an Bord der Santiago mit ihrer künstlichen, durch Rotation erzeugten Schwerkraft. Dabei hatte sich das Alien-Schiff weder gedreht, noch hatte es beschleunigt.
    »Gomez?«
    Als die Antwort endlich kam, war sie unendlich leise. »Ja. Wo seid ihr?«
    »Schon ziemlich weit. Irgendwo in der Nähe der Kommandosphäre.«
    »Das glaube ich nicht, Sky.«
    »Unser Trägheitskompass sagt es aber.«
    »Dann zeigt er falsch an. Euer Funksignal kommt etwa aus der Mitte der Säule.«
    Zum zweiten Mal packte Sky das Entsetzen, doch jetzt hatte es nichts mit der Dunkelheit zu tun. Um so weit ins Schiffsinnere vorzudringen, hätten sie viel länger kriechen müssen. Hatte sich der Rumpf womöglich umgeformt, während sie unterwegs waren, und sie freundlicherweise weiter befördert? Das Funksignal konnte nicht täuschen, dachte er – durch Triangulation konnte Gomez ihre Position ziemlich genau bestimmen, auch wenn die Masse des Rumpfes seine Messungen etwas verfälschte. Das bedeutete, dass der Trägheitskompass praktisch seit dem Moment gelogen hatte, als sie das Schiff betraten. Und jetzt befanden sie sich in einem statischen Gravitationsfeld, das vom Rumpf selbst erzeugt, nicht durch Beschleunigung oder Rotation simuliert wurde. Und dieses Feld konnte sie mit dem Schacht in jede beliebige Richtung drängen. Kein Wunder, dass der Trägheitskompass falsche Werte geliefert hatte. Schwerkraft und Inertialkraft hingen so vielfältig und eng zusammen, dass man die eine kaum beugen konnte, ohne auch die andere in Mitleidenschaft zu ziehen.
    »Sie können offenbar das Higgs-Feld kontrollieren«, staunte Norquinco. »Schade, dass Gomez nicht hier ist. Er hätte bestimmt schon eine Theorie entwickelt.«
    Das Higgs-Feld, erinnerte er Sky, durchzog angeblich den ganzen Raum, die gesamte Materie. Masse und Trägheit waren an sich keine intrinsischen Eigenschaften der Fundamentalteilchen, sondern entstanden nur durch die Kraft, die auf sie wirkte, wenn sie mit dem Higgs-Feld interagierten – vergleichbar dem Widerstand, den eine prominente Persönlichkeit zu überwinden hatte, wenn sie einen Raum voller Bewunderer durchquerte. Norquinco glaubte offenbar, die Erbauer des Schiffes hätten einen Weg gefunden, die Persönlichkeit unbehelligt passieren zu lassen – oder sie noch stärker zu behindern. So als könnten sie die Dichte der Bewunderer erhöhen oder senken und ihre Fähigkeit, die Persönlichkeit zu belästigen, verringern oder steigern. Das war natürlich eine hoffnungslos ungenaue Beschreibung dessen, was Gomez – und vielleicht auch Norquinco – ohne Zuhilfenahme von Metaphern mit einem Blick mitten ins blanke mathematische Herz der Erscheinung erkennen konnten, aber Sky war zufrieden damit. Die Erbauer konnten Schwerkraft und Inertialkraft ebenso leicht manipulieren wie das matte gelbe Licht, und vielleicht taten sie es auch mit der gleichen Selbstverständlichkeit.
    Das hieß natürlich, dass seine Ahnung richtig gewesen war. Wenn es an Bord dieses Schiffes irgendeine Möglichkeit gab, diese Technik zu erlernen, so wäre das für die Flottille – oder zumindest für die Santiago – von unschätzbarem Wert. Seit Jahren bemühten sie sich, Masse abzuwerfen, um das Bremsmanöver bis zum letztmöglichen Moment hinauszuzögern. Man stelle sich vor, sie wären imstande, die Masse der Santiago einfach abzuschalten wie das Licht in einem Raum? Dann könnten sie mit acht Prozent Lichtgeschwindigkeit in das System einbiegen, ihre Geschwindigkeit mit einem Schlag eliminieren und im Orbit um Journey’s End zum Stillstand kommen. Und selbst wenn das

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