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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Manöver in dieser Dramatik nicht möglich sein sollte – jegliche Verringerung der Schiffsträgheit, und sei es nur um wenige Prozent, wäre ein Gewinn.
    Der Außendruck betrug jetzt weit über eineinhalb Atmosphären, stieg aber nicht mehr so rasant an. Die Luft war warm und mit Feuchtigkeit gesättigt und enthielt einige harmlose Spurengase, die aber in der Luft, die Sky normalerweise atmete, nicht im gleichen Verhältnis vorhanden gewesen wären. Die Schwerkraft pendelte sich bei einem halben Ge ein. Gelegentlich fiel sie unter diesen Wert, höher stieg sie nie. Und das gelbe Licht war jetzt so hell, dass man dabei lesen könnte. Hin und wieder mussten sie durch eine Vertiefung auf dem Schachtboden kriechen, die eine dunkle, zähe Flüssigkeit enthielt. Spuren dieser Substanz gab es überall: alle Flächen waren mit einem roten Schleim beschmiert, der aussah wie Blut.
    »Sky? Hier ist Gomez.«
    »Sprich lauter. Ich kann dich kaum verstehen.«
    »Sky; hör gut zu. Innerhalb der nächsten fünf Stunden bekommen wir Gesellschaft. Zwei Shuttles befinden sich im Anflug. Sie wissen, dass wir hier sind. Ich habe einen Radarstrahl auf sie gerichtet, um ihre Entfernung zu bestimmen.«
    Schön; das hätte er inzwischen wahrscheinlich auch getan. »Lass es dabei bewenden. Rufe sie nicht an und tu nichts, was ihnen verraten könnte, dass wir von der Santiago kommen.«
    »Und ihr kommt bitte so schnell wie möglich zurück! Noch können wir uns absetzen.«
    »Norquinco und ich sind noch nicht fertig.«
    »Sky, ich glaube, dir ist nicht klar…«
    Er unterbrach die Verbindung. Was vor ihm lag, interessierte ihn mehr. Jetzt kam durch denselben Schacht etwas auf sie zu, ein wurmförmiger, weißrosa Körper, der sich in Wellen fortbewegte wie eine Made.
    »Norquinco?«, sagte Sky, brachte sein Gewehr in Anschlag und zielte damit auf das Geschöpf. »Ich glaube, da will uns jemand willkommen heißen.« Er hätte gern gewusst, ob man ihm seine Angst anhören konnte.
    »Ich sehe gar nichts. Nein; warte – jetzt schon. Oh!«
    Das Wesen war nur so lang wie ein Arm; eigentlich nicht groß genug, um jemandem wie ihnen größeren Schaden zuzufügen. Es hatte auch keine sichtbaren Organe, die gefährlich werden konnten; Sky sah nicht einmal ein Maul. An der Vorderseite befand sich nur ein Gebilde, das an ein Krönchen erinnerte: ein Strauß durchscheinender Fasern, die leise hin und her schwankten. Selbst wenn sie giftig wären, würde ihn sein Anzug schützen. Und das Geschöpf hatte weder Augen noch Gliedmaßen, mit denen es greifen konnte. Das sagte er sich mehrfach vor, um sich zu beruhigen, musste jedoch leicht enttäuscht feststellen, dass seine Angst dadurch nicht geringer geworden war.
    Die Made schien über die unerwarteten Gäste nicht weiter erschrocken zu sein. Sie hielt einfach an und winkte ihnen mit den bleichen Fühlern zu. Der segmentierte blassrosa Körper nahm eine intensivere Rotfärbung an, dann quoll zwischen den Segmenten ein leuchtend rotes Sekret hervor, und unter dem Wesen entstand eine neue Pfütze. Aus dieser Pfütze wuchsen wiederum Fühler, und sie kroch vorwärts, als flösse sie bergab. Skys Gefühl für Oben und Unten veränderte sich so schwindelerregend plötzlich, als hätte die Schwerkraft nur für ihn die Richtung geändert. Der scharlachrote Saft floss wie ein Bächlein auf die beiden zu, umspülte ihre Anzüge und kroch daran hinauf. Sky hatte das Gefühl, auf dem Kopf zu stehen, zu stürzen. Der rote Schleier glitt über sein Helmvisier, als suche er einen Weg ins Anzuginnere. Dann war es vorüber.
    Die Schwerkraft normalisierte sich wieder. Sky atmete schwer. Immer noch starr vor Entsetzen beobachtete er, wie die rote Pfütze zurückfloss und vom Körper der Made wieder aufgesogen wurde. Einen Augenblick später verblasste auch das intensive Rot, und das Wesen war wieder so blassrosa wie zuvor.
    Nun geschah etwas sehr Merkwürdiges: die Made machte nicht kehrt, sondern stülpte sich um. Die Fühler zogen sich an einem Ende in den Körper zurück und kamen am anderen wieder zum Vorschein. Dann glitt das Wesen mit wellenförmigen Bewegungen durch den gelb erleuchteten Schacht davon. Es war, als sei nichts gewesen.
    Dann dröhnte mit gottähnlicher Gewalt eine Stimme aus den Wänden, zu tief, um menschlich zu sein, und sprach zu ihnen.
    »Ich freue mich, ein wenig Gesellschaft zu haben«, sagte sie auf portugiesisch.
    »Wer bist du?«, fragte Sky.
    »Lago. Kommt bitte zu mir; es ist nicht mehr

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