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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Recht, Tanner. Es ist für dich.«
    Sie reichte mir das Telefon. Ich fragte mich, wie ein so unschuldiger Gegenstand so viel Böses enthalten konnte. Dann schaute ich in ein Gesicht, das dem meinen sehr ähnlich sah.
    »Tanner«, sagte ich leise.
    Der Mann ließ sich viel Zeit mit seiner Antwort. Seine Stimme klang belustigt. »Frage oder Feststellung?«
    »Sehr komisch.«
    »Ich habe Ihnen etwas zu sagen.« Ich hörte ihn nur schwach, und im Hintergrund ratterten Maschinen. »Ich weiß nicht, ob Sie schon alle Teile des Bildes zusammengesetzt haben?«
    »Ich bin gerade dabei.«
    Wieder eine Pause. Ich begriff, dass Tanner sich im Weltraum befand – irgendwo in der Nähe von Yellowstone, aber doch etliche Bruchteile einer Lichtsekunde außerhalb des planetennahen Orbits; wahrscheinlich in der Nähe des Habitat-Gürtels, wo auch die Eisbettler angesiedelt waren. »Gut. Ich werde Sie nicht beleidigen, indem ich Sie mit Ihrem wirklichen Namen anspreche; noch nicht. Aber eines will ich Ihnen sagen.«
    Ich erstarrte.
    »Ich bin gekommen, um das zu tun, was Tanner Mirabel immer tut, nämlich zu Ende zu bringen, was er begonnen hat. Ich bin gekommen, um Sie zu töten – so wie Sie gekommen sind, um Reivich zu töten. Schön symmetrisch, nicht wahr?«
    »Wenn Sie im All sind, gehen Sie in die falsche Richtung. Ich weiß, dass Sie schon einmal hier waren. Ich habe Ihre Visitenkarte bei Dominika gefunden.«
    »Die Schlangen waren eine hübsche Idee, nicht wahr?
    Oder haben Sie den Hinweis noch gar nicht verstanden?«
    »Ich gebe mir alle Mühe.«
    »Ich würde mich wirklich gern mit Ihnen unterhalten.« Das Gesicht lächelte. »Vielleicht findet sich ja noch eine Gelegenheit.«
    Ich wusste, dass das ein Köder war, aber ich schnappte trotzdem danach. »Wo sind Sie?«
    »Auf dem Weg zu einem Treffen mit jemandem, der Ihrem Herzen nahe steht.«
    »Reivich«, sagte Quirrenbach leise, und ich nickte. Quirrenbach hatte uns angeblich ins All bringen wollen – zu einem Treffen mit Reivich –, bevor Chanterelle uns gerettet hatte.
    Zu einem der hohen Karussells, hatte er gesagt. Mit Namen Refugium.
    »Reivich hat nichts damit zu tun«, sagte ich. »Er ist nur eine Nebenfigur. Hier geht es um Sie und mich. Wir brauchen den Kreis nicht zu erweitern.«
    »Das heißt, der Mann, der noch vor wenigen Stunden wild entschlossen war, Reivich zu töten, hat eine gewaltige Kehrtwendung gemacht«, sagte Tanner.
    »Vielleicht bin ich nicht mehr der Mann, für den ich mich hielt. Aber warum können Sie Reivich nicht in Ruhe lassen?«
    »Weil er so unschuldig ist.«
    »Was heißt das?«
    »Es heißt, er wird Sie zu mir führen.« Tanner lächelte mich strahlend an, um mich zum Widerspruch zu reizen. »Das ist doch richtig, nicht wahr? Sie sind gekommen, um ihn zu töten, aber Sie würden ihn lieber retten, als zuzulassen, dass ich den Job für Sie erledige.«
    Ich wusste wirklich nicht mehr, was ich denken sollte. Tanner zwang mich zur Auseinandersetzung mit Fragen, um die ich mich bis jetzt herumgedrückt hatte, weil mich die Zweiteilung meiner Erinnerungen vollauf beschäftigte. Doch nun hatte sich der Spalt vergrößert, er hatte mir meine Vergangenheit geraubt und mir nur etwas zurückgelassen, was vergiftet war. Wenn ich Cahuella war – und alles deutete darauf hin –, dann hasste ich mich bis ins Mark.
    Aber Tanner konnte ich nicht weniger hassen. Denn er hatte Gitta getötet.
    Nein: wir hatten sie getötet.
    Der Gedanke – seine vernichtende Logik – traf mich mit voller Wucht. Wir hatten die gleichen Erinnerungen, ganze Stränge unserer Vergangenheit waren miteinander verflochten. Tanners Erinnerungen waren nicht wirklich die meinen, aber seit ich sie in meinem Kopf hatte, konnte ich mich von ihrem Einfluss nie wieder ganz befreien. Er hatte Gitta getötet; doch in meiner Erinnerung hatte ich selbst es getan, ich selbst hatte den Menschen getötet, der mir im ganzen Universum am meisten bedeutete. Aber das war bei weitem noch nicht alles. Tanners Verbrechen waren nichts im Vergleich zu denen, die ich verdrängt hatte; vergraben in den Erinnerungen, die ich unter Tanners Erinnerungen versteckt hatte. Sie waren jetzt im Begriff, an die Oberfläche zu steigen. Ich fühlte mich immer noch wie Tanner; seine Vergangenheit schien mir noch immer die meine zu sein; aber ich hatte genug von der Wahrheit erkannt, um zu wissen, dass diese Illusion im Laufe der Zeit zunehmend an Überzeugungskraft einbüßen würde. In Wirklichkeit gehörten

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