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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sichergestellt, dass ihre Verletzungen selbst dafür zu schwer waren. Sogar die biochemischen Muster waren zerstört. Trotzdem erhielt ich sie am Leben: ich schnallte ihr ein Aggregat um den Oberkörper und wartete, bis es den Kreislauf wieder in Gang brachte und damit ihren Tod scheinbar widerlegte. Endlich bekamen ihre Wangen wieder Farbe. Das Aggregat würde sie vor Verwesung bewahren, bis wir das Reptilienhaus erreichten. Cahuella hätte mich umgebracht, wenn ich das unterlassen hätte.
    Endlich wandte ich mich Cahuella zu. Seine Verletzungen waren fast banal; der Strahl war mitten durch ihn hindurch gegangen, aber er war nur sehr kurz gewesen, und ich hatte ihn so schmal wie möglich eingestellt. Die meisten Schäden im Innern seines Körpers waren nicht durch den Schuss an sich entstanden, sondern durch die explosive Verdampfung von Wasser in seinen Zellen. Die Schussbahn war von einer Reihe winziger Verbrühungen gesäumt. Die Ein- und Austrittswunden waren so klein, dass ich sie nur mit Mühe fand. Zu inneren Blutungen dürfte es nicht gekommen sein; jedenfalls nicht, wenn der Strahl wie geplant alle entstandenen Verletzungen sofort kauterisiert hatte. Natürlich hatte mein Arbeitgeber einiges abbekommen, aber ich hatte keinen Anlass zu befürchten, dass er nicht überleben würde. Im Moment konnte ich allerdings nicht mehr für ihn tun, als ihm ein zweites Aggregat anzulegen, das ihn im künstlichen Koma hielt.
    Ich schnallte ihm das Gerät um und ließ ihn friedlich neben seiner Frau liegen. Dann packte ich das Gewehr, drückte eine frische Energiezelle hinein und drehte eine zweite Runde um das Lager. Als provisorische Krücke benutzte ich ein zweites Gewehr. Ich bemühte mich, möglichst nicht an meinen Fuß zu denken, schließlich war mir – mit einer gleichgültigen Sachlichkeit, die mich keinesfalls beruhigen konnte – klar, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, den Verlust zu ersetzen.
    Fünf Minuten später hatte ich mich vergewissert, dass Reivichs restliche Männer tot waren; desgleichen die meisten unserer Leute bis auf Cahuella und mich. Dieterling hatte als einziger Glück gehabt; er hatte nur eine kleinere Wunde, einen Streifschuss am Kopf, der schlimmer aussah, als er tatsächlich war. Doch er hatte das Bewusstsein verloren, und deshalb hatte ihn der Feind für tot gehalten.
    Eine Stunde später hatte ich, selbst dem Zusammenbruch nahe – mir wurde immer wieder schwarz vor den Augen, Wolken so dunkel wie die Vorboten des nächtlichen Unwetters trübten mein Blickfeld –, Cahuella und seine Frau in den Bodeneffekt-Wagen gepackt. Dann rüttelte ich Dieterling wach, doch er war vom Blutverlust geschwächt und etwas wirr im Kopf. Ein paar Mal hatte ich meine Schmerzen laut hinausgeschrien.
    Ich ließ mich auf den Fahrersitz fallen und startete den Wagen. Mein Körper wollte mich mit aller Kraft in Tiefschlaf versetzen, aber ich wusste, dass ich hier nicht bleiben konnte. Ich musste nach Süden, bevor Reivich ein weiteres Killerkommando schickte; und das würde er sicher tun, wenn der erste Trupp nicht rechtzeitig zurückkehrte.
    Die Nacht schien kein Ende zu nehmen, und als die erste Morgenröte endlich über den jetzt wolkenlosen Meereshorizont kroch, hatte ich sie in meinen Phantasien schon ein Dutzend Mal gesehen. Irgendwie brachte ich uns zum Reptilienhaus zurück.
    Aber es wäre für alle Beteiligten besser gewesen, wenn ich es nicht geschafft hätte.

Neununddreißig
    Wir gingen zu drei Schlangenhändlern, bevor wir einen fanden, der wusste, von wem wir sprachen: von einem Fremden nämlich – offensichtlich nicht von Yellowstone –, der so viele Schlangen gekauft hatte, dass der Verkäufer seinen Laden für den Rest des Tages schließen konnte. Das war gestern gewesen: der Mann hatte Dominikas Ermordung offenbar lange im Voraus geplant.
    Der Mann, sagte der Schlangenhändler, habe mir sehr ähnlich gesehen. Nicht direkt wie ein Doppelgänger, aber wenn man die Augen zusammenkniff, sei die Ähnlichkeit sehr groß gewesen. Auch hätten wir beide den gleichen Akzent gehabt, nur sei der andere viel weniger gesprächig gewesen.
    Natürlich hatten wir den gleichen Akzent. Schließlich stammten wir nicht nur von ein und demselben Planeten, sondern sogar von derselben Halbinsel.
    »Und was ist mit der Frau, die bei ihm war?«, fragte ich.
    Der Händler hatte keine Frau erwähnt, aber die Art, wie er die Spitzen seines gewichsten Schnurrbarts befingerte, verriet mir, dass die Frage berechtigt

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