Chasm City
war von größer Wichtigkeit, denn vor uns lagen unruhige Zeiten –, aber in Gedanken war ich die ganze Zeit bei der Aufzeichnung. Ich konnte mir nicht vorstellen, was es damit auf sich hatte.
Doch ich sollte es bald erfahren.
»Ich gehe davon aus, dass du mich inzwischen getötet hast«, sagte Constanza. »Zumindest hast du mich irgendwie verschwinden lassen. Nein; sag nichts – dies ist keine interaktive Aufzeichnung, und ich werde deine kostbare Zeit nicht lange in Anspruch nehmen.« Ihr Gesicht war auf dem Bildschirm in meiner Kabine erschienen: es kam mir nur unwesentlich jünger vor als bei unserer letzten Begegnung. Sie fuhr fort: »Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, wurde diese Botschaft schon vor längerer Zeit aufgezeichnet. Ich habe sie ins Datennetz der Santiago eingespeist und musste alle sechs Monate einmal eingreifen, um zu verhindern, dass sie an dich weitergeleitet wurde. Ich wusste, dass ich dir zunehmend ein Dorn im Auge war und dass du sehr wahrscheinlich früher oder später einen Weg finden würdest, um mich los zu werden.«
Ich musste unwillkürlich lächeln, als mir einfiel, dass sie mich gefragt hatte, wie lange ich sie schon gefangen hielt.
»Gut gemacht, Constanza.«
»Ich habe dafür gesorgt, dass einige höhere Offiziere und die dienstältesten Besatzungsmitglieder eine Kopie dieser Botschaft erhalten, Sky. Wobei ich natürlich nicht erwarte, dass man sie ernst nimmt. Du hast die Umstände meines Verschwindens sicher in deinem Sinne manipuliert. Aber das spielt keine Rolle; die Saat des Zweifels ist damit gelegt, und das genügt mir. Gewiss wirst du weiterhin Verbündete und Verehrer haben, Sky, aber du solltest dich nicht wundern, wenn nicht mehr alle bereit sind, dir in blindem Gehorsam zu folgen.«
»Ist das alles?«, fragte ich.
»Noch eins zum Schluss«, sagte sie, fast als hätte sie die Frage vorausgesehen. »Ich habe im Lauf der Jahre eine Menge Material gegen dich gesammelt, Sky. Vieles davon sind Indizien; vieles lässt sich unterschiedlich deuten, aber es ist mein Lebenswerk, und ich wollte nicht riskieren, dass es verloren ging. Deshalb nahm ich – vor der Aufzeichnung dieser Botschaft – alles, was ich hatte und versteckte es in einem kleinen Behälter an einem Ort, der schwer zu finden ist.« Sie legte eine Pause ein. »Sind wir bereits im Orbit um Journey’s End, Sky? In diesem Fall hat es wenig Sinn, nach dem Material zu suchen. Inzwischen befindet es sich mit ziemlicher Sicherheit bereits auf der Oberfläche.«
»Nein.«
Constanza lächelte. »Du kannst dich verstecken, Sky, aber ich werde dir folgen, du wirst mich nicht los. So sehr du dich auch bemühst, die Vergangenheit zu vergraben; so gut es dir auch gelingt, dich zum Helden zu stilisieren… das Päckchen wird immer da sein und darauf warten, dass man es findet.«
Später, sehr viel später, stolperte ich durch den Dschungel. Das Laufen fiel mir schwer, aber das hatte nur wenig mit meinem Alter zu tun. Die Schwierigkeit war, mit nur einem Arm das Gleichgewicht zu halten, mein Körper vergaß immer wieder, dass er nicht mehr symmetrisch war. Ich hatte den Arm in den ersten Anfangstagen der Besiedlung verloren. Ein schrecklicher Unfall, auch wenn der Schmerz jetzt nur noch eine schwache Erinnerung war. Mein Arm war verbrannt; zu einem dürren, schwarzen Stumpf verkohlt, als ich ihn vor die breite Öffnung eines Fusionsbrenners hielt.
Es war natürlich kein echter Unfall gewesen.
Ich hatte seit Jahren damit gerechnet, dass ich vielleicht zu diesem Mittel würde greifen müssen, aber ich hatte es so lange aufgeschoben, bis wir gelandet waren. Ich musste den Arm so verlieren, dass er auf medizinischem Wege nicht zu retten war. Das schloss eine saubere, schmerzlose Operation aus. Andererseits musste garantiert sein, dass ich das Unglück überlebte.
Ich hatte drei Monate lang im Lazarett gelegen, aber ich hatte es geschafft. Und dann hatte ich meine Pflichten wieder aufgenommen, während sich überall auf dem Planeten – auch bei meinen Feinden – herumsprach, was geschehen war. Allmählich prägte es sich der Allgemeinheit ein, dass ich nur einen Arm hatte. Jahre vergingen, meine Behinderung wurde so selbstverständlich, dass kaum noch jemand ein Wort darüber verlor. Und niemand kam auf die Idee, der Verlust des Armes könnte nur ein winziges Detail in einem großen Plan gewesen sein; eine Vorsichtsmaßnahme, deren Sinn sich erst Jahre, Jahrzehnte später erweisen mochte. Doch nun war es so
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