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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Anforderungen sicher gewachsen zeigen.«
    Quirrenbach, Zebra, Chanterelle und ich starteten eine Stunde später; der Raumkoloss flog einen weiten Bogen über Chasm City, dann stieg er auf zu den drohenden Wolken, die im Aufeinanderprall von Yellowstones ewigen Winden und den Luftströmungen, die der Abgrund ausrülpste, zu phantastischen Formen verweht wurden. Ich schaute nach unten. Die Stadt lag winzig klein wie ein Spielzeug unter mir, Mulch und Baldachin waren kaum auseinander zu halten, ein einziges Knäuel von verwirrender Komplexität.
    »Alles klar?«, fragte Zebra, die an unseren Tisch zurückkam und Getränke mitbrachte.
    Ich wandte mich vom Fenster ab. »Wieso?«
    »Weil du fast so aussiehst, als würdest du die Stadt vermissen.«
 
    Als die Reise fast zu Ende war, als der Erfolg meiner Pläne sich abzeichnete – als man anfing, mich in aller Öffentlichkeit als Helden zu preisen –, besuchte ich meine beiden Gefangenen.
    In all den Jahren hatte niemand den Raum in den Tiefen der Santiago gefunden, auch wenn einige Leute – insbesondere Constanza – nahe daran gewesen waren, seine Existenz zu erraten. Aber der Raum stellte nur so geringe Anforderungen an die Energie- und Lebenserhaltungssysteme des Schiffes, dass es nicht einmal Constanza mit ihrer unbestrittenen Intelligenz und Hartnäckigkeit gelungen war, ihn aufzustöbern. Und das war gut so. Inzwischen war die Lage nicht mehr so kritisch, doch über viele Jahre wäre eine solche Entdeckung mein Untergang gewesen. Jetzt freilich saß ich fest im Sattel; ich hatte genügend Verbündete, um kleinere Skandale überstehen zu können, und die meisten meiner Gegner hatte ich erfolgreich kaltgestellt.
    Theoretisch waren es natürlich drei Gefangene, aber Sleek passte eigentlich nicht so recht in diese Kategorie. Er war für mich lediglich ein nützliches Werkzeug, und ich betrachtete – ohne Rücksicht darauf, wie er das sah – seine Haft nicht unbedingt als Strafe. Wie immer schlug er in seinem Becken mit dem Schwanz, als ich eintrat, aber in letzter Zeit waren seine Bewegungen träge geworden, und sein kleines, schwarzes Auge nahm mich kaum zur Kenntnis. Ich fragte mich, wie weit er sich wohl an sein früheres Leben erinnerte, an jenes andere Becken, das ihm neben dem jetzigen, in dem er die letzten fünfzig Jahre verbracht hatte, wie ein Ozean vorkommen musste.
    »Wir sind fast da, nicht wahr?«
    Ich drehte mich um, überrascht, nach so langer Zeit wieder Constanzas heisere Stimme zu hören.
    »So gut wie«, antwortete ich. »Soeben habe ich Journey’s End mit eigenen Augen gesehen – als voll ausgebildete Welt, meine ich, nicht nur als hellen Stern. Ein herrlicher Anblick, Constanza.«
    »Wie lange schon?« Sie stemmte sich gegen ihre Fesseln, um mich ansehen zu können. Sie war auf eine Liege geschnallt, die in einem Winkel von fünfundvierzig Grad schräg gestellt war.
    »Seit ich dich hierher gebracht habe? Ich weiß nicht – vier, vielleicht fünf Monate?« Ich zuckte die Achseln, als hätte ich mich kaum damit beschäftigt. »Eigentlich kommt es doch nicht darauf an.«
    »Was hast du der übrigen Besatzung erzählt, Sky?«
    Ich lächelte. »Ich brauchte gar nichts zu sagen. Ich hatte dafür gesorgt, dass es so aussah, als hättest du dich aus einer Luftschleuse gestürzt, um Selbstmord zu begehen. Auf diese Weise brauchte ich keine Leiche vorzuweisen. Ich überließ es den anderen, ihre Schlüsse selbst zu ziehen.«
    »Eines Tages werden sie herausfinden, was geschehen ist.«
    »Das bezweifle ich. Ich habe ihnen eine Welt geschenkt, Constanza. Sie wollen mich nicht kreuzigen, sie wollen mich heilig sprechen. Und das wird, denke ich, noch lange so bleiben.«
    Sie war natürlich immer ein Problem gewesen. Nach dem Zwischenfall mit der Caleuche hatte ich sie in Verruf gebracht, indem ich mit einer Kette von falschen Indizien nachwies, dass sie an Captain Ramirez’ Verschwörung beteiligt war. Damit war sie bei der Sicherheitswache nicht mehr tragbar. Sie hatte noch Glück, dass man sie, besonders in den ersten Tagen nach der Absprengung der Kälteschlafmodule, als alles unter Schock stand, nicht hingerichtet oder in Haft genommen hatte. Aber Constanza hatte mir auch dann noch Grund zur Besorgnis gegeben, als sie längst zu niederen Arbeiten degradiert worden war. Die Besatzung war im Großen und Ganzen bereit, die Absprengung als verzweifelte, aber notwendige Maßnahme zu betrachten, eine Sicht der Dinge, die ich mit Propaganda und gezielten

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