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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Lügen bezüglich der Absichten der anderen Schiffe gezielt förderte. Ich selbst hielt meine Tat nicht für ein Verbrechen. Constanza dachte anders und bemühte sich in ihren letzten Jahren in Freiheit darum, das Labyrinth von Falschinformationen zu entwirren, das ich in letzter Zeit um meine Person errichtet hatte. Immer wieder spürte sie dem C aleuche -Zwischenfall nach; beteuerte Ramirez’ Unschuld und stellte hartnäckig die abwegigsten Vermutungen darüber auf, wie der Alte Balcazar tatsächlich zu Tode gekommen sein könnte. Seine beiden medizinischen Betreuer seien zu Unrecht verurteilt worden. Manchmal äußerte sie sogar Zweifel, was das Ende von Titus Haussmann anging.
    Bis ich mich endlich entschloss, sie zum Schweigen zu bringen. Ihren Selbstmord vorzutäuschen, erforderte nur ein Minimum an Vorbereitung. Nicht schwieriger war es, sie ungesehen in die Folterkammer zu bringen. Natürlich hielt ich sie dort meistens in Fesseln und unter Drogen, aber hin und wieder gönnte ich ihr ein Weilchen bei klarem Verstand.
    Es tat gut, mit jemandem reden zu können.
    »Warum hast du ihn so lange am Leben erhalten?«, fragte Constanza.
    Ich sah sie an und war fast erschrocken, wie sehr sie gealtert war. Dabei sah ich uns noch beide, zwei Kinder, vor dem großen Delphin-Becken stehen und durch das Glas schauen.
    »Den Chimären? Ich wusste eben, dass ich ihn noch einmal würde brauchen können.«
    »Um ihn zu foltern?«
    »Nein. Oh, natürlich sorgte ich dafür, dass er für seine Tat angemessen bestraft wurde, aber das war erst der Anfang. Sieh ihn dir doch genauer an, Constanza.« Ich veränderte den Winkel der Liege, bis sie den Infiltrator im Blickfeld hatte. Er stand jetzt so fest unter meinem Einfluss, dass ich ihn nicht mehr zu fesseln brauchte. Dennoch ließ ich ihn an die Wand gekettet – ich wollte ruhig schlafen.
    »Er sieht so aus wie du«, staunte Constanza.
    »Er hat zwanzig zusätzliche Gesichtsmuskeln«, erklärte ich mit väterlichem Stolz. »Damit kann er sein Gesicht in jede beliebige Konfiguration bringen und diese auch halten. Und er ist nicht allzu sehr gealtert, seit ich ihn hierher brachte. Ich denke, ich kann ihn immer noch für mich ausgeben.« Ich rieb mir das Gesicht, das ich mit einer Kosmetikschicht rauer machte, um meine unnatürliche Jugendlichkeit zu verbergen. »Und er wird alles – alles – tun, was ich von ihm verlange. Nicht wahr, Sky?«
    »Ja«, antwortete der Chimäre.
    »Was hast du mit ihm vor? Willst du ihn als Doppelgänger einsetzen?«
    »Wenn es nötig werden sollte«, sagte ich. »Aber daran glaube ich nicht.«
    »Er hat nur einen Arm. Schon deshalb kann man ihn nicht mit dir verwechseln.«
    Ich kurbelte Constanzas Liege in die Stellung zurück, in der ich sie bei meiner Ankunft vorgefunden hatte. »Das Problem ist nicht unüberwindlich, glaub mir.« Ich verstummte und holte eine große Spritze mit langer Nadel aus dem Kasten mit medizinischen Instrumenten, den ich neben dem Gotteskasten aufbewahrte, jenem Gerät, mit dem ich das Bewusstsein des Infiltrators zerstört und wieder aufgebaut hatte.
    Constanza sah die Spritze. »Die ist für mich, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte ich und trat an das Delphinbecken. »Die ist für Sleek. Den guten, alten Sleek, der mir all die Jahre über so treu gedient hat.«
    »Du willst ihn töten?«
    »Oh, das wird er inzwischen sicher als Gnadenakt betrachten.« Ich öffnete den Deckel seines Beckens und rümpfte die Nase. Das Brackwasser, in dem er lag, roch abscheulich. Sleek schlug wieder mit dem Schwanz, und ich legte ihm zur Beruhigung die Hand auf den Rücken. Seine Haut, einst glatt und glänzend wie polierter Stein, war jetzt so rau wie Beton.
    Ich stieß ihm die Nadel durch die zolldicke Fettschicht. Wieder bewegte er sich, ein heftiger Schwanzschlag, dann wurde er ruhiger. Ich sah in sein Auge, aber es war ausdruckslos wie eh und je.
    »Ich glaube, er ist tot.«
    »Ich dachte, du wolltest mich töten«, sagte Constanza nervös und ohne ihre Erleichterung verbergen zu können.
    Ich lächelte. »Mit einer solchen Spritze? Das soll wohl ein Witz sein? Nein; die hier ist für dich bestimmt.«
    Ich holte eine zweite Spritze aus dem Kasten. Und die war kleiner.
 
    Journey’s End, das Ziel der Reise, dachte ich und hielt mich an der Stange fest. In der Aussichtskanzel der Santiago herrschte Schwerelosigkeit. Ein treffender Name. Die Welt hing unter mir wie eine grüne Papierlaterne im Schein einer flackernden Kerze. 61 Cygni-A, der

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